Zeit für ein globales, faires Steuersystem ist schon überreif

Wie man der Steuervermeidung der Multis Einhalt gebieten könnte.

Heute ist der internationale Tag der öffentlichen Dienste. Schon davon gehört? Dabei ist die Bereitstellung dieser Dienstleistungen – etwa im Bereich Wasser, Gesundheit, Bildung, Verkehr oder Verwaltung – wichtig für jede Bürgerin und jeden Bürger. Doch deren Finanzierung wird immer schwieriger.

Denn jedes Jahr verlieren Staaten durch die aggressiven Steuervermeidungspraktiken internationaler Konzerne Milliarden an Steuereinnahmen. Gleichzeitig profitieren gerade sie von öffentlichen Dienstleistungen, deren Finanzierung sie den Bürgern überlassen. Die Steuertricks von Ikea, Amazon oder McDonald's haben daher zu Recht eine internationale Welle der Empörung ausgelöst.

In Österreich wird derzeit über die Finanzierung der Lohnsteuerreform gestritten, die die Kaufkraft steigern und die Wirtschaft in Gang bringen soll. Darüber hinaus geht es aber auch um eine faire Aufteilung der Steuerlast. Denn unser Steuersystem bevorzugt nicht nur Vermögende, sondern auch international tätige Firmen. Sieht man sich etwa die Steuerleistung von US-Konzernen an, so führten diese seit 2005 gerade einmal zwischen 1,8 und 9,4 Prozent ihrer Gewinne an den hiesigen Fiskus ab.

Globales Netz an Steueroasen

Laut EU-Kommission verlieren europäische öffentliche Haushalte geschätzte 1000 Milliarden Euro pro Jahr. 50 Milliarden Dollar werden jährlich aus Afrika geschleust, über 60 Prozent davon gehen auf Steuerflucht und -vermeidung von Firmen zurück. Ermöglicht wird dies durch ein globales Netz an Steueroasen (wie etwa Luxemburg), eine Industrie von Beratungsunternehmen, die ihren Klienten Steuer(spar)modelle maßschneidern kann, sowie ein internationales Steuersystem, das all das erst erlaubt.

Endlich soll es aber Maßnahmen gegen die steuerschonenden Gewinnverschiebungspraktiken der Multis geben. Die Verhandlungen darüber finden allerdings in der OECD statt. Die bisher vorgelegten Reformansätze kratzen dementsprechend an der Oberfläche, denn die Eigeninteressen der OECD-Regierungen und das Lobbying der großen Unternehmen sind einfach zu groß.

Die Schlupflöcher schließen

Für ein gerechtes Steuersystem braucht es dagegen:
Faire globale Steuerregeln, über die alle Länder (auch die ärmsten) im Rahmen der UNO gleichberechtigt mitbestimmen können.
Der desaströse internationale Steuerwettbewerb, bei dem alle verlieren, muss aufhören.
Internationale Konzerne mit ihrer komplexen, undurchsichtigen Struktur müssen steuerlich als Einheit angesehen – und dort besteuert werden, wo sie ihre Gewinne erwirtschaften.
Am automatischen Informationsaustausch der Steuerbehörden müssen alle Staaten teilnehmen können, für ärmere Länder muss es Übergangsregelungen geben. Lücken befördern Schlupflöcher.
Es braucht öffentliche Register über die wirtschaftlichen Nutznießer von Firmen, Trusts und Stiftungen, um die Nutzung von Scheinkonstruktionen zu erschweren.

Weltweit setzen sich Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen auf nationaler und internationaler Ebene für die Umsetzung dieser Forderungen ein. Der nächste Testfall wird die UN-Entwicklungsfinanzierungskonferenz in Addis Abeba im Juli sein, um die Weichen für ein faires internationales Steuersystem zu stellen, das diesen Namen verdient.

Thomas Kattnig ist Bereichsleiter Internationales, EU und Daseinsvorsorge bei Gewerkschaft der Gemeindebediensteten – KMSfB.

Martina Neuwirth ist entwicklungspolitische Expertin am Wiener Zentrum für Internationalen Dialog und Zusammenarbeit und europäische Vertreterin in der Global Alliance for Tax Justice.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.06.2015)

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