Weltbank setzt Meilenstein für das Wohl der Tiere

Die Finanzorganisation sieht Tierwohl als Vergabekriterium für Kredite an.

Mit der Veröffentlichung des dritten und voraussichtlich letzten Entwurfes für die Überarbeitung ihrer Vergaberichtlinien für Investitionen und Projektfinanzierungen, der sogenannten Safeguard Policies, könnte die Weltbank einen Meilenstein für das Wohl von Milliarden Tieren in der Landwirtschaft setzen.

Intensive Tierhalteanlagen sind weltweit der am stärksten wachsende Produktionszweig in der landwirtschaftlichen Tierhaltung. Das Ernährungsprogramm der Vereinten Nationen (FAO) schätzt den Anteil der intensiven Nutztierhaltungssysteme am Produktionszuwachs auf 80Prozent. Aktuell werden 43Prozent der weltweit produzierten Eier in Käfigsystemen produziert, jenen Käfigsystemen, die seit dem Jahr 2012 innerhalb der EU verboten sind.

Die EU-Entscheidung wurde damals von Tierschützern, Konsumenten und Entscheidungsträgern als Meilenstein im Tierschutz gewürdigt und bedeutete nicht unerhebliche Investitionen in neue, bessere Haltungsformen. Just in diesem Zeitraum agierten jedoch internationale Finanzinstitutionen (IFIs), allen voran die Weltbankgruppe (WBG), in die entgegengesetzte Richtung: Millionenbeträge wurden für die Errichtung von Hühnermast- und Legehennenbetriebe mit Dutzenden Millionen Tieren sowie gewaltige Schweinehaltungsanlagen bereitgestellt.

Diese Praktiken decken aber auch Defizite der Politik auf. Während die gemeinschaftliche Agrarpolitik der Europäischen Union die Rahmenbedingungen in der Tierhaltung festlegt, stellen EU-Mitgliedstaaten öffentliche Mittel für Produktionsweisen in Drittstaaten bereit, die in der EU verboten sind. Die Mitgliedstaaten agieren innerhalb von Entwicklungsbanken in Eigenverantwortung und allzu oft im klaren Widerspruch zu gemeinschaftspolitischen Zielen der EU. Entwicklungsbanken verlieren damit weiter an Glaubwürdigkeit, da sie nicht als Lenkungsinstrument positiver gesellschaftspolitischer Entwicklungen, sondern getrieben von möglichen Renditen agieren.

So wurden z.B. Mastanlagen mit Jahreskapazitäten von 112 Mio. Hühnern und 400.000 Schweinen in der Ukraine hochgerüstet oder eine Käfigbatterieanlage für 3.000.000 Legehennen in der Türkei (zum Vergleich: Der Gesamtbestand an Legehennen in Österreich beträgt 6,1 Millionen Tiere). Tierwohl spielte keine Rolle bei den Kreditvergaben, die auch wettbewerbsverzerrende Wirkung haben. Europäische Landwirte sind durch die Billigproduktion z.B. von Eipulver und Fertigprodukten steigendem Preisdruck ausgesetzt.

Zunehmend werden sich europäische Entscheidungsträger bewusst, dass hier öffentliche Lenkungsinstrumente eine falsche Richtung eingeschlagen haben. Im Dezember 2014 forderten die Agrarminister Dänemarks, Deutschlands und der Niederlande die Verankerung des Tierschutzes in internationalen Finanzinstitutionen. Das Wiener Finanzministerium zog nach und hat in seiner neuen IFI-Strategie erstmals die Zielsetzung von Tierhalte-Mindeststandards auf EU-Niveau festgelegt. Was noch fehlt, ist das gemeinsame Auftreten der EU-Staaten.

Es böte sich eine Chance, auf globaler Ebene für errungene Werte – die Abschaffung gewisser tierquälerischer Haltungsbedingungen – zu werben. Eine Chance für eine aktive EU-Politik innerhalb der IFIs. Für die Weltbank wäre es zudem eine Chance, mit ihren neuen Safeguard Policies eine Vorreiterrolle in diesem Bereich einzunehmen. Dies dient, auch als Signal an die von den BRIC-Staaten gegründete Entwicklungsbank und die Asiatische Infrastrukturinvestmentbank, Kreditvergaben an den Weltbank-Richtlinien zu orientieren.


Nicolas Entrup, 43, ist seit 20 Jahren im internationalen Tier-, Arten- und Umweltschutz tätig, Leiter der Agentur Shifting Values, die mit und für gemeinnützige Organisationen Initiativen umsetzt.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.08.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.