Meinungsterror, Spitzelnetz

Eine Wiener Rechtsanwältin erklärt den Ungarn, dass die Zustände in Österreich schlimmer seien als im Kommunismus.

In ungarischen Medien häufen sich im Zusammenhang mit der Debatte über die Bewältigung der Flüchtlingsfrage in Europa österreichfeindliche Töne. Am 10. Dezember, dem Tag der Menschenrechte, veröffentlichte die regierungsnahe Budapester Tageszeitung „Magyar Idök“ unter dem Titel „Meinungsterror in Österreich“ ein Interview mit der Wiener Rechtsanwältin Eva Maria Barki.

Als „Migrationsexpertin“ erläutert sie, wie schrecklich es in Österreich zugehe. Dabei zieht Barki nicht nur über Bundeskanzler Werner Faymann her, sondern auch über Angela Merkel und Jean-Claude Juncker. Diese verträten den Standpunkt, „der ihnen aus Washington diktiert wird“.

Merkel ist nach Meinung Barkis „die Totengräberin Europas“, die „Deutschland und auch Europa ruiniert [...] Es kommt ein zweipoliger Kontinent zustande, in dem die Rolle Mitteleuropas aufgewertet wird. Die westlichen Staaten mit den USA zusammen gehen unter, weil der Werteverfall, die moralische Krise schon so ein Ausmaß angenommen haben, dass dies unumkehrbar scheint.“ Irgendwie erinnern Barkis Prophezeiungen an die kommunistische Propaganda aus der Zeit des Kalten Krieges, die auch vom nahen Tod des Kapitalismus schwadronierte und mit Hinweisen auf den westlichen Nachbarn versuchte, von eigenen Missständen abzulenken.

Wer widerspricht, muss gehen

Befragt, warum die Österreicher ihren „realitätsfernen“ Politikern und Künstlern nicht widersprechen, antwortet Barki: „Vieles gefällt den Menschen hier nicht, aber in Österreich gibt es Meinungsterror. In Firmen, Ämtern, Banken ist es den Angestellten verboten, irgendeine negative Meinung gegen die Migration zu formulieren. Diejenigen, die es dennoch wagen zu sprechen, werden entlassen.“

Auf die Bemerkung des Journalisten, „das gab es auch bei uns, das nannte man Kommunismus“, erwidert Barki: „Das, was in Österreich geschieht, ist in vieler Hinsicht schlimmer. So muss man den Kollegen anzeigen, der es wagt, gegen die Migration zu sprechen. Sie bauen quasi ein Spitzelnetz auf.“

Doch Barki begnügt sich nicht damit: „Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Menschen umerzogen. Die Deutschen dürfen nicht denken, sie haben keine Partei mehr, die ihre Interessen verteidigt. Auch bei uns gibt es Verdummung, auf dem Gebiet der Politik ist vielleicht noch die FPÖ diejenige Partei, die die Interessen der Durchschnittsmenschen vertritt.“

Eva Maria Barki betont im Interview, keiner Partei anzugehören. Tatsächlich bewegt sie sich seit Jahren im Umfeld der rechtsextremen Österreichischen Landsmannschaft (ÖLM). Sie publiziert Texte über das nach dem Ersten Weltkrieg Ungarn angetane Unrecht im ÖLM-Organ „Der Eckart“, in dem oft genug auch andere revanchistische und ausländerfeindliche Inhalte transportiert werden.

Ungarns Regierungspartei Fidesz erklärt gern, sie sei als „konservative“ und „christliche“ Partei die alleinige Garantie dafür, dass die rechtsextreme Jobbik nicht an die Macht kommt. Doch in letzter Zeit zeigt sich immer wieder, dass sich Orbáns Partei nur in Nuancen von Jobbik unterscheidet. Berührungsängste mit Rechtsextremisten hat sie nicht, und auch vor Verleumdung eines Nachbarlandes wird nicht zurückgeschreckt.

Karl Pfeifer (*1928 in Baden) ist Journalist, der zwischen 1980 und 1987 viermal aus Ungarn ausgewiesen worden war.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.12.2015)

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