Unhaltbares Asylsystem

Ein unzeitgemäßes Zusatzprotokoll von 1967 macht das Mittelmeer zum Massengrab.

Dass sich seit Schließung der Balkanroute die Opferzahlen von ertrunkenen Flüchtlingen in der Ägäis massiv reduzierten und deswegen seither Hunderte Menschenleben gerettet wurden, hat noch niemand zugegeben, der die Schließung aus „humanitären“ Gründen verhindern wollte. Was ebenfalls alle wissen mussten: Dass es für den anderen schaurigen Schauplatz, zwischen Libyen und Lampedusa, noch immer keine Lösung gibt.

Viele in Afrika haben Fluchtgründe und unzählige mehr haben ganz andere Gründe, es in Europa versuchen zu wollen, solange der Wohlstandsgewinn alljährlich vom Bevölkerungswachstum aufgezehrt wird. Aber sie haben nur einen rein gesetzlichen Grund, warum sie die lebensgefährliche Überfahrt überhaupt antreten: Dieser wurde 1967 in einem Zusatzprotokoll zur Genfer Flüchtlingskonvention fixiert, als dieses auf Kriegsheimkehrer und „Repatriierungen“ abgestimmte Regelwerk zeitlich und räumlich entgrenzt wurde: Die GFK wurde einerseits auf unbestimmte Zeit verlängert, andererseits auch auf außereuropäische Flüchtlinge ausgeweitet. Ein heute selbstverständlicher, damals mutiger Schritt, der aber gerade durch eine längere Friedensphase in Europa in der Praxis zunächst gut machbar war.

Der damals nicht bedachte Fehler: Dass man durch den zweiten Punkt Jahrzehnte später einen Migrationsstrom per Nussschale über das Mittelmeer auslösen würde.

Gäbe es diese Erweiterung des Regelwerks nicht, gäbe es auch keine Schlepper, keine Überfahrten und keine Todesopfer. Man hätte ein wahrlich inhumanes Qualifikationskriterium abgeschafft, nach Europa zu gelangen. Man müsste sich nicht mehr in die Abhängigkeit von autoritären oder unberechenbaren Staaten begeben. Man könnte mit den gleichen Mitteln vor Ort zigmal mehr Menschen helfen. Man würde keine Völkerwanderungen auslösen. Durch die Versorgung in kultureller und geografischer Nähe hätte man viele Konflikte nicht, die sich nun in Europa ergeben. Reine Wirtschaftsflüchtlinge würden von diesem Angebot kaum Gebrauch machen und das Versorgungssystem entlasten. Die Staaten in der Umgebung wären eher angehalten, ihren Beitrag, auch zur Beruhigung und Lösung der Gesamtsituation, zu leisten. Man könnte innerkontinentale Asylsysteme unterstützen und weiter ausbauen, wie sie etwa auf Ebene der Afrikanischen Union bereits existieren. Die Bereitschaft zur Rückkehr und zur Hilfe beim Wiederaufbau nach Beruhigung der Lage wären viel größer.

Nicht absorbierbar

Abgesehen davon wird ein nach anthropologischen Urteilen schon seit Jahrhunderten überbevölkertes Europa eine kulturell motivierte Bevölkerungsexplosion nicht absorbieren können, die von Konfliktforschern wie Gunnar Heinsohn längst als hauptsächliche Konfliktursache ausgemacht werden konnte und wofür es eine Eigenverantwortung der betreffenden Kulturen selbst braucht. Auch dem islamistischen Treiben würde durch das nachhaltige Evakuieren ganzer Völkerschaften nur Vorschub geleistet werden.

Der Ausrede, wonach die Genfer Konvention mit anderen EU-Regelungen verzahnt sei, ist nicht stattzugeben, denn dies hieße, weiterhin jährlich Tausende Opfer im Mittelmeer in Kauf zu nehmen, nur weil man sich die juristische Mühe ersparen will. Die Politik trifft hierbei die volle Verantwortung, genauso wie die mittlerweile breit etablierte „Flüchtlingsindustrie“ und die Kirche, die im Vatikan wissenschaftliche Institute betreibt, die diese himmelschreiende und tragische Absurdität längst hätten aufdecken müssen. Das Zusatzprotokoll zur GFK von 1967 hat bislang bis zu Hunderttausend Todesopfer gefordert und kaum ein einzelnes Leben gerettet.

Markus Maximilian Goritschnig studierte Philosophie und Politisches Management in Wien und ist selbstständig tätig.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.06.2016)

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