Die neuen Mütter als Verlierer

In der Karenz haben sich die „neuen Väter“ selbst entdeckt: zulasten der Mütter, die plötzlich noch mehr Pflichten haben als zuvor.

Kürzlich wollte ich ein bisschen Zeit für mich. Eine Woche, um ein Projekt, für das ich in der Spätschwangerschaft jeden kleinsten Rest an Freizeit geopfert hatte, fertigzustellen. Ich würde das in dem Ferienmonat tut, in dem mein Partner Urlaub genommen hatte. Ich hatte Grund anzunehmen, dass mir diese kleine Insel Zeit zustand. Schließlich war ich mit einem sogenannten „neuen Vater“ liiert.

Dieser neue Vater runzelte die Augenbrauen, dann beauftragte er mich damit, bei unserer spanischen Babysitterin nachzufragen, ob sie in der nämlichen Zeit „eh da“ sei. Dann stellte er weitere Auflagen in den Raum. Wollte ich wirklich eine ganze Woche unabkömmlich sein? Ich solle mir das bitte nochmals genau überlegen. Schließlich sei das Baby (neun Monate) nur an mich gewöhnt. Außerdem stehe ihm dann, während seiner Urlaubszeit, selbstverständlich auch eine ganze Woche zu, in der er tun und lassen können sollte, was ihm beliebte. Nach Paris fahren, zum Beispiel.

Neue Bilanz eröffnet

Nun war es an mir, die Augenbrauen zu runzeln. Sobald der „neue Vater“ mit dem Älteren auf die große Wiese gefahren war, überlegte ich, während ich das Baby wickelte, was die neuen Väter eigentlich um so vieles besser machte als die alten.

„Neue Väter“. Kaum ein Schlagwort hat die Diskussion um Kindererziehung der letzten Zeit so beherrscht. Partner, Mitverantwortliche, neue Speerspitzen der Frauen im Kampf um Emanzipation seien sie. Okay, wer zu den drei Prozent gehört, die in Österreich in Väterkarenz gehen, darf sich schon mal eine Medaille umhängen. Dass niemand über die neuen Mütter spricht, ist trotzdem höchst ärgerlich. Immerhin werden sie durch die Allüren vieler neuer Väter in die Rolle der Hauptleidtragenden gedrängt. Blauäugig, wer da glaubt, die neuen Väter hätten ihre Arbeit für die Dauer der Väterkarenz aus Verständnis für uns Frauen und die uns bis dato auferlegten Mühen niedergelegt. Die neuen Väter wollen das lange gewachsene Ungleichgewicht in Sachen Familienarbeit endlich ausgleichen? Keineswegs. Stattdessen eröffnen sie flugs eine neue Bilanz, worin jede ihrer Leistungen durch eine zusätzliche Gegenleistung der Frau abzugelten ist. Dabei benützen sie die Argumente der Emanzipation für ihre Zwecke und rechnen unverschämt auf – zu ihren Gunsten.

Sie behaupten, die Frauen wären dank der Emanzipation in denselben Möglichkeiten angekommen wie die Männer. Deshalb hätten sie jetzt auch dieselben Pflichten zu erfüllen – und mehr. Anders ausgedrückt: Eine Woche Arbeitsfreizeit für ihr Projekt ist eine Woche Paris für ihn. Auch im täglichen Leben müssten die Frauen exakt zur Hälfte zum Haushaltseinkommen beitragen. Dass mehr als die Hälfte der Haus- und Kinderbetreuungsarbeit noch immer von den Frauen kommt, übergehen sie. Sie ignorieren, dass Frauen noch lange nicht dieselben Möglichkeiten haben wie die Männer. Und dass sie immer noch um mehr als ein Drittel weniger verdienen.

Da die Rechte gleich verteilt wären, sei es auch nicht mehr nötig, Verantwortung füreinander zu übernehmen. Gut für ihn, schlecht für sie: Mit ihrem deutlich geringeren Einkommen muss die Frau ihren Lebensunterhalt bestreiten und sich für die Zukunft absichern. Neben den Kindern und der Hausarbeit, versteht sich. Die neuen Väter bestreiten nämlich, dass Kinderkriegen einen Karriereknick für die Frau bedeuten soll. Schließlich würden sie, die karenzierten Väter, den Frauen diese Last von den Schultern nehmen. Dass vielen hoch qualifizierten Frauen von ihrem Chef zwar zur Geburt ihres Kindes überschwänglich gratuliert wird, ihre beruflichen Träume damit aber für immer in der unteren Mitteletage der Firma angekommen sind, schreiben sie eher dem persönlichen Versagen der Frau zu.

Die neuen Väter stellen Forderungen. Sie lesen Erziehungsratgeber und Stillbücher. Worauf sie dann von ihren Partnerinnen verlangen, das Kind möglichst lange zu stillen. Gerne untermauern sie dies mit Studien der WHO, wonach Muttermilch in den ersten Lebensjahren das Beste für das Kind sein soll. Dann gehen sie abends aus, während die Mütter ihre Kinder stillen.

In Ordnung, soll der neue Papa nach Windeln wechseln, fehlendem Nachtschlaf und heiapopeia doch mal abends ausgehen. Fragt sich, warum er das eigentlich noch immer kann. Warum er nicht längst, wie wir Mütter, abends völlig schlappmacht und vor der ZiB2 am Sofa einschläft.

Männer mit Riesen-Egos

Was tun die neuen Väter eigentlich in ihrer Karenz? Ein Blick in die nächste Umgebung zeigt: Sie delegieren mit Vorliebe an andere: Großmütter, Freundinnen der Mutter. Karenz, die Arbeit für das Kind, wird in Arbeitsfreizeit umgewidmet; Das ist okay, wenn es in Maßen passiert. Verständlich, dass manche neuen Väter lieber Väterblogs schreiben, während die Oma oder das Kindermädchen die Windeln wechselt. Ärgerlich, wenn sie sich gleichzeitig dafür feiern lassen.

Wenn ich heute einen Mann sehe, der einen Kinderwagen schiebt, schaue ich genauer hin. Haben seine Augenringe tatsächlich etwas mit Kindererziehung und der Mühsal des In-den-Schlaf-Singens zu tun, oder war er einfach nur bis in die Puppen feiern? Viele der neuen Väter sind Poser. Man merkt es, wenn sie von tollen Partys und ihrem letzten Gig erzählen.

Nein, ich wünsche mich nicht in ein traditionelles Familien- und Rollenbild zurück. Ich rufe nur dazu auf, genauer hinzusehen. Und dazu, die neuen Väter als das zu sehen, was sie sind: Männer mit Riesen-Egos, die jede Weiterentwicklung für ihren Vorteil nützen und sich jede Gegenleistung teuer bezahlen lassen. Näher betrachtet sehen die neuen Väter manchmal ziemlich alt aus.

Viola Gangl ist Werbetexterin, freie Journalistin und „neue Mutter“ zweier Söhne. Sie ist derzeit in Karenz.


meinung@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.08.2009)

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