Wenn der Tierschutz aus der EU ausgelagert wird

Öffentliche Gelder aus EU-Ländern für „Entenfarmen“ in der Ukraine.

Die Desna ist ein Fluss, wie man ihn hierzulande vergeblich sucht. Mit weiten Mäandern und ausgedehnten Feuchtgebieten durchzieht sie die nördliche Ukraine, bevor sie bei Kiew in den Dnjepr mündet. Man möchte sich vorstellen, dass dieses Gebiet ein wahres Paradies für Enten und andere Wasservögel ist. Doch ganz in der Nähe ist ein Projekt in Bau, das für Enten die reinste Hölle bedeuten würde: ein Leben in Käfigen, dicht gedrängt auf Gitterrosten, ohne Einstreu, ohne Zugang zu Wasser und damit ohne Möglichkeit, essentielle Verhaltensweisen auszuleben. In einer geplanten „Entenfarm“ sollen im Endausbau pro Jahr 10,8 Millionen Enten gemästet und geschlachtet werden.

Nicht gerade ein Projekt, das mit öffentlichen Geldern unterstützt werden sollte? Das sehen bei Weitem nicht alle so. Die deutsche Bundesregierung etwa beschloss, Exportkreditgarantien in Höhe von 42 Millionen Euro für diese Entenfabrik zu übernehmen. Exportkreditgarantien sind eine praktische Sache für exportierende Firmen: Zahlt der Abnehmer der Waren aus irgendwelchen Gründen nicht, springt Vater Staat mit Steuermitteln ein und übernimmt die Zahlung. So kann man schöne Geschäfte machen, ohne sich um ein unternehmerisches Risiko kümmern zu müssen. In unserem Fall liefern deutsche Firmen die Zuchtanlagen und das Schlachthaus.

Auch Polen übernahm eine Exportkreditgarantie – von hier kommen Gebäudeelemente. Die Brüterei wird aus den Niederlanden geliefert, die Bruteier aus Frankreich. Wir stehen also vor einem weiteren Fall, wo die Ukraine mit ihren schwächeren Tierschutzgesetzen von Westeuropa als ausgelagerte Mastanlage verwendet wird. Das geht aber nicht ohne Widerstand vor sich. Ein Anlauf zur Errichtung der Anlage in einer anderen ukrainischen Region musste nach Bürgerprotesten abgeblasen werden.

Auch der zweite Anlauf an der Desna ist mit Demonstrationen, Baustellenblockaden, Unterschriftensammlungen und Einsprüchen von Gemeinden konfrontiert.

Wenn sich der Projektbetreiber auch noch finanziell übernommen hat, wird es ernst mit der staatlichen Garantie. Laut Medienberichten hat Deutschland bereits fünf Millionen Euro an Ersatzzahlungen an die liefernden Firmen überwiesen. Fortsetzung wird wohl folgen.

Solche Projekte, die staatliche Unterstützung erhalten, obwohl sie nach den hiesigen, ohnehin schwachen Tierschutzbestimmungen gar nicht bewilligungsfähig wären, sind leider keine Einzelfälle. Millionen Legehennen, Masthühner und Schweine leiden in Ländern wie der Ukraine, Russland oder der Türkei bereits in tierquälerischen Haltungssystemen, die von deutschen, niederländischen oder italienischen Unternehmen geliefert wurden – welche ihr wirtschaftliches Risiko auf den Steuerzahler abgewälzt haben. Legitimiert wird dies mit der Erhaltung von Arbeitsplätzen bei den Käfigherstellern.

EU-Normen als Maßstab?

Es ginge aber auch anders. In den genannten Ländern konkurrieren im Wesentlichen Unternehmen aus verschiedenen EU-Staaten um die Aufträge. Und die Richtlinien der OECD sehen die Möglichkeit vor, die EU-Normen als Maßstab für die Vergabe von Exportkreditgarantien heranzuziehen. Diese Möglichkeit blieb bisher ungenutzt.

Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter hat angekündigt, dieses Thema im Oktober in den Rat der EU-Agrarminister zu bringen. Wenn man sich dort nicht auf die EU-Tierschutznormen als Mindeststandards für Exportkreditgarantien einigen kann, werden wohl manche Minister gegenüber ihrer Bevölkerung zunehmend in erheblichen Erklärungsnotstand geraten.

Der Autor ist seit 20 Jahren im internationalen Tier-, Arten- und Umweltschutz tätig. Er ist Leiter der Agentur Shifting Values, die mit und für gemeinnützige Organisationen Initiativen umsetzt.

E-Mails an: debatte@diepresse.comdebatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.09.2016)

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