EU-Reform: Weniger, aber dafür besser

Um einig und stark gegen die starke Konkurrenz auftreten zu können, braucht die EU eine Rundumerneuerung.

Von verschiedenen Seiten kommen Vorschläge zur Reform der EU. Das ist höchst an der Zeit, um jenen entgegenzuwirken, die marktschreierisch die Abschaffung des gemeinsamen Europa herbeitrommeln wollen. Der zunehmende Nationalismus, das „Gift Europas“, und die protektionistische Politik des neuen US-Präsidenten machen eine Neuaufstellung der EU notwendig.

Diese kann nur in einem stärkeren Zusammenrücken der EU-Mitgliedstaaten in den wichtigen Bereichen und in ihrem gemeinsamen Auftreten bestehen. Gelingt es den europäischen Konkurrenten – USA, Russland und China –, die EU-Mitglieder auseinanderzudividieren, bedeutet das nicht nur das Zerbröseln Europas, sondern auch die Marginalisierung der Einzelstaaten, vor allem der kleineren. Gegenüber den Kolossen hat nur ein einiges, solidarisches Europa eine Chance. Das müsste jedem vernünftig Denkenden klar sein.

Außenminister Sebastian Kurz hat bereits erste konkrete Vorschläge für den österreichischen Vorsitz in der zweiten Jahreshälfte 2018 präsentiert. Denn um einig und stark auftreten zu können, braucht die EU eine Rundumerneuerung. Sie ist derzeit zu schwach in den großen Fragen und gleichzeitig zu dominant in kleinen, von den Bürgern als schikanös empfundenen Bereichen.

Global Payer statt Player

In der Migrationskrise hat die EU beim Schutz der Außengrenzen versagt, auch beim Wirtschaftswachstum und bei der Wettbewerbsfähigkeit. Die Uneinigkeit und die Abhängigkeit von den USA hat dazu geführt, dass die EU zwar zum global payer, nicht aber zum global player wurde.

Es geht also nicht um die Frage EU oder keine EU, mehr EU oder weniger EU, sondern um die konkrete Entscheidung, wie können wir die Zuständigkeiten zwischen EU und Mitgliedstaaten und ihren Regionen sinnvoll nach dem Subsidiaritätsprinzip besser und klarer aufteilen. Es kann nicht sein, dass sich die EU dort, wo es keine klare Kompetenzregelung gibt, sofort die Zuständigkeit krallt.

Nationalist = Zentralist

In manchen Bereichen muss Europa stärker werden: in der gemeinsamen Außenpolitik, in der gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik, in der Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und im internationalen Handel sowie in der Energiesicherheit und beim Klimaschutz. Zurückzunehmen hat sich die Union beim Versuch der Schaffung einer teuren Sozialunion, bei der Vereinheitlichung der Gesundheitspolitik, bei der wirtschaftlichen Überregulierung vor allem der KMU usw. Auf diese Weise würde man den Euroskeptikern und EU-Zerstörern viel Wind aus den Segeln nehmen.

Dass solche Vorschläge des österreichischen Außenministers in der medialen Wahrnehmung auf die Nebenfrage der Verkleinerung der Anzahl der EU-Kommissionsmitglieder reduziert wurden, ist symptomatisch für die aktuelle EU-Debatte.

Weitgehende Dezentralisierung – nicht nur auf europäischer Ebene, sondern auch in den Mitgliedstaaten – würde die Regionen, Städte und Gemeinden und damit die Identität der Bürgerinnen und Bürger im Zeitalter der Globalisierung stärken. Das Gegenteil ist derzeit im Gange: Die nationalistischen Regierungen etwa in Ungarn oder Polen schwächen die Regionen. Nationalisten sind Zentralisten, die demokratisch legitimierte regionale und lokale Ebenen reduzieren oder gar beseitigen wollen.

„Weniger, dafür besser“, so heißt eines der von Jean-Claude Juncker vorgelegten fünf Szenarien. In diese Richtung wird es wohl gehen müssen.

Univ.-Prof. Franz Schausberger (geb. 1950) lehrt Neuere Geschichte an verschiedenen Universitäten in Europa und ist Vorstand des Instituts der Regionen Europas.


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("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.03.2017)

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