Gastkommentar

Apotheke oder Homöotheke?

Die Fakten sprechen dagegen, dass die Homöopathie wirksam ist. Sie ist nicht mehr als ein Ritual.

Bis heute fehlt ein valider Wirkungsnachweis für die Homöopathie. Es gibt keine Beweise für das Phänomen Homöopathie an sich. Der legendäre Nürnberger Kochsalzversuch anno 1835 und mehrere Metastudien seither sind negativ. Die vielen „wissenschaftlichen“ Erklärungen zur Wirkungsweise der Homöopathie widersprechen dem erprobten naturwissenschaftlichen Kenntnisstand und sind Nonsens. Erklärt wird hier eine Science-Fiction-Wirkung.

Nun wird der Placeboeffekt Hoffnungsträger für Pseudomedizin und erhält eine irrige Bedeutung. Man schwindelt sich nicht mehr über diesen Effekt hinweg, sondern vermarktet damit Pseudomedizin. Placebo sei gleich einem Arzneimittel, aber sanft und nebenwirkungsfrei. Man muss nur eine Placebotablette schlucken. Das ist eine naive Wunschvorstellung.

Der Placeboeffekt ist kein spezifischer, stofflich kausal bedingter Effekt, der durch bestimmte Ereignisse oder Handlungen nach Belieben realisiert werden kann. Placebo- und vice versa Nocebowirkungen resultieren aus Erwartungen, Wünschen und Hoffnungen des Einzelnen vor dem Hintergrund seiner religiösen und weltanschaulichen Ansichten, seiner Bildung inklusive seiner subjektiven Lebens- und Krankheitserfahrungen.

Therapeutisches Schauspiel

All das konditioniert jeden Einzelnen und führt dazu, dass dem gesamten Geschehen, dem therapeutischen Schauspiel, den beteiligten Menschen, den Dingen und Ereignissen bewusst und unbewusst „Bedeutungen“ beigemessen werden, die eben zu Placebo- bzw. Noceboeffekten beitragen. Das ist subjektiv, ein Glaube und mitunter wirksam.

Als Mitglied der königlichen Untersuchungskommission in Paris konnte Benjamin Franklin 1784 demonstrieren, dass die von Franz Anton Mesmer postulierten Wirkungen nur dann auftraten, wenn die Versuchspersonen wussten, dass tatsächlich „mesmerisiert“ wurde. Wurde das heilende Procedere versteckt, also verblindet durchgeführt beziehungsweise unterlassen, konnten sie keine sicheren Angaben mehr machen. Das war sozusagen der erste dokumentierte Nachweis der Placebowirkung.

Evidenzbasierte Medizin

Benjamin Franklin zeigte, dass der Erfolg ärztlicher Handlungen auf zwei Ursachenketten beruhte. Die Wirkung kann im Glauben an den Therapeuten beziehungsweise sein therapeutisches Schauspiel, seine Methode und sein Mittel liegen, aber auch in der Methode und im Mittel selbst, so eine stofflich kausal bedingte Wirkung existiert.

Bis dahin hatte sich die Frage nach der kausalen Wirkung nicht gestellt. Man sah, dass es wirkte, das genügte. Von 1784 an entwickelte sich die evidenzbasierte Medizin. Mittel oder Therapien wurden erst dann als „richtig“ wirksam angesehen, wenn nachgewiesen werden konnte, dass Wirkung unabhängig von Erwartungen und Glauben der Erkrankten und der Ärzte eintrat.

Jahrtausende war beim Heilen das Erflehen himmlischen Wohlwollens unerlässlicher Bestandteil, Heilsprüche waren notwendiges Ritual in der Medizin. Und so, wie es nicht mehr Teil der Medizin ist, überirdische himmlische Mächte anzurufen, kann es das therapeutische Schauspiel auch nicht mehr sein. Und geistartige Kräfte in Arzneimitteln gibt es auch nicht.

Die Fakten sprechen gegen die Homöopathie. Sie ist nicht mehr als ein Ritual. Die Apotheke muss sich entscheiden, welche Art von Heilung sie anbietet. Will man echte Arzneimittel verkaufen oder Heilandenken für den volksmedizinischen Aberglauben?

Mag. pharm. Dr. phil. Edmund H. J. Berndt (* 1948) studierte Pharmazie in Graz. 1983 legte er die Fachprüfung für den Apothekerberuf ab. Mitglied der GWUP (Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften).

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.04.2017)

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