Willkommen, Frau Minister!

Um die Unis aus der Krise zu holen, braucht man Geld. Aber nicht nur.

Die gute Nachricht ist, dass wir endlich wieder eine Wissenschaftsministerin haben, die hoffentlich mehr als ein EU-Kommissar im Wartestand ist. An den Universitäten erwarten viele von Beatrix Karl, dass sie nun endlich ernsthaft auf die Krise der Universitäten reagiert und diese nicht nur aussitzt.

Wenn sie dabei in ihrem ersten Fernsehinterview betont, dass Geld nicht alles ist, so ist dies zwar richtig. Ohne mehr Budget– da ist man sich von den Rektoren bis zu den Studierenden einig – wird es allerdings auch nicht gehen. Tatsächlich könnten einige Reformen jedoch auch sofort in Angriff genommen werden. Ein nicht unwesentlicher Teil der Probleme der Universitäten stellt die Entdemokratisierung der Unis in der Folge des Universitätsgesetzes (UG) 2002 dar. Das UG hat nicht nur die alte Beamtenuniversität zum neoliberalen Unternehmen umgebaut, sondern auch die inneruniversitäre Demokratie massiv beschädigt. Wer die Krise des tertiären Bildungssektors konstruktiv bewältigen will, muss allerdings zunächst eine Redemokratisierung der Universitäten vorantreiben.

Zweiklassenuniversität

Nur so können real vorhandene Probleme rechtzeitig zur Sprache kommen und alle Beteiligten in Entscheidungsprozesse eingebunden werden. In einer demokratischen Universität hätten sich die Rektoren der Universität Wien und der WU wohl auch kaum zu ihrem fürstlichen Gehalt noch leistungsbezogene Prämien sichern können, während ihre Studierenden keine Plätze in überfüllten Hörsälen finden und Nachwuchswissenschaftler nicht wissen, wie sie finanziell über die Runden kommen. Der neuen Ministerin muss hier wohl noch einiges mehr einfallen, als über eine Wiedereinführung der Studiengebühren nachzudenken und damit die soziale Selektion der Studierenden unter Umständen noch weiter zu verschärfen.

In der Folge des UG 2002 hat sich eine Zweiklassenuniversität herausgebildet, in der jüngere Wissenschaftler nur noch in zeitlich befristete Anstellungsverhältnisse ohne Verlängerungsmöglichkeiten kommen. Es ist kaum mehr möglich, langfristige Anstellungen zu bekommen. Die Zahl der Lektoren, die jeweils nur Semesterverträge erhalten, hat sich hingegen vervielfacht. In einigen Studienrichtungen wird bereits ein Großteil der Lehre von Lektoren gehalten, die insbesondere in sozial- und geisteswissenschaftlichen Fächern auch außerhalb der Universität oft nur über kurzfristige Projekte ihren Lebensunterhalt finanzieren können. Obwohl Lektoren in einigen Studienrichtungen mehr als die Hälfte der Lehre abdecken, sind sie kaum in die universitären Strukturen eingebunden. Dabei lehren eine ganze Reihe von Lektoren seit Jahren bis zu acht Semesterwochenstunden. Ihre Verträge erhalten sie trotzdem immer nur für ein Semester.

Wenn vonseiten der jeweiligen Institute überhaupt Infrastruktur zur Verfügung gestellt wird, sind dies allenfalls Kopierkarten, Institutsschlüssel oder ein Postfach. Kaum irgendwo steht ein Schreibtisch zur Verfügung. Eine angemessene Infrastruktur und längere Verträge für alle Lektoren, die längerfristig vier oder mehr Semesterwochenstunden lehren, gehören seit Langem zu den Minimalforderungen der IG externe Lektoren und freie Wissenschafter.

Für die Dauer ihrer Anstellung sind zwar Projektmitarbeiter aus drittmittelfinanzierten Projekten wesentlich besser abgesichert. Sie, die ihre Projektgelder meist selbst beantragen und damit wesentlich zum Budget der Universitäten beitragen, stehen allerdings nach spätestens sechs Jahre vor dem Aus. Die sogenannte „Kettenvertragsregelung“ erlaubt keine weitere Verlängerung befristeter Verträge, und die Universitäten weigern sich, unbefristete Verträge zu schließen. Auch beim neuen Mittelbau (bei den verschiedenen Formen von Universitätsassistenten bzw. Prä- und Postdoc-Stellen) zwingt der Umgang der Universitäten mit der Kettenvertragsregelung jüngere Wissenschaftler entweder zur Abwanderung oder zum Abbruch der wissenschaftlichen Karriere.

Die entdemokratisierten Strukturen der Universitäten führen jedoch dazu, dass die Anliegen von Lektoren und neuem Mittelbau kaum mehr gehört und formuliert werden. Zum von Minister Hahn einberufenen „Hochschuldialog“ wurden Vertreter von Lektoren und neuem Mittelbau nicht einmal eingeladen. Während an einigen Universitäten einzelne Rektoren oder Uniratsmitglieder durchaus an einem ernsthaften Dialog interessiert waren, gab es vonseiten des Ministeriums bisher keine Bereitschaft, auch auf die Interessen von Lektoren, Projektmitarbeitern und neuem Mittelbau einzugehen.

Stark verschulte Studienpläne

Ohne sich Illusionen hinzugeben, hätte die neue Ministerin doch zumindest die Chance auf einen Neuanfang. Spätestens im März hätte Frau Karl die Chance, sich an einer kritischen Revision des Bologna-Prozesses zu beteiligen. Vom 11. bis 12. März werden die Bildungsminister von 46 europäischen Staaten zur Zehnjahresjubiläumskonferenz des Bologna-Prozesses in Wien erwartet. Obwohl der Bologna-Prozess selbst an seinen eigenen Zielsetzungen gescheitert ist und die stark verschulten Studienpläne sogar zu einem Rückgang der Mobilität der Studierenden in Europa geführt haben, ist bislang jedoch wenig Selbstkritik zu hören. Die Verschulung des Bachelors und die zunehmende Verengung der Master- und PhD-Studien zu Eliteprogrammen werden zwar an den Universitäten, nicht aber in der Politik debattiert. Es wird sich zeigen, ob die neue Ministerin die Anliegen des geplanten Gegengipfels von Studierenden, Lehrenden und Forschenden ernst nimmt oder lieber eine fehlgeschlagene Reform mitabfeiert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.02.2010)

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