Gastkommentar

EU-Haushalt: Die drängenden Fragen nach dem Geld

Vom Bregenzerwald bis ins Burgenland: Nicht nur Bauern wollen Klarheit.

Woher kommt das Geld? Wo soll es hin? Die Fragen zur künftigen Finanzierung der EU sind denkbar einfach. Die Antwort aber ist schwieriger als sonst, denn mit dem Austritt Großbritanniens wird weniger Geld hereinkommen.

Aus Österreich hören wir bisher dies: Man wolle keine Kürzungen für Landwirte, keine für die Regionen, man wolle mehr ausgeben für den Schutz der EU-Außengrenzen, man wolle die Beitrittsperspektive für den Westbalkan, man wolle als Nettozahler aber das Gleiche zahlen wie bisher. Lässt sich das miteinander vereinbaren?

Dazu müssen wir zunächst fragen: Was heißt eigentlich EU-Nettozahler? Die simple Rechnung „Ich zahle x in den EU-Haushalt ein und bekomme y zurück“ funktioniert nicht. Einige Beispiele: Die EU versorgt Millionen syrischer Flüchtlinge in Lagern in der Türkei mit Essen, Unterkunft, Schulbildung im Wert von drei Milliarden Euro. Was würde es Österreich kosten, wenn diese Menschen sich stattdessen auf den Weg machten?

Oder wie schlägt die Forschungsförderung in Österreich zu Buche, die die EU einem Unternehmen in München überweist, das dann dank neu entwickelter Produkte in seiner Filiale in Graz investiert und produziert? Wie schaut es mit den Gehältern der EU-Beamten aus, die Handelsabkommen mit Japan, Kanada oder der Ukraine aushandeln und überwachen, die Österreichs Exporteuren Märkte im Wert von Hunderten von Millionen Euro öffnen?

Österreich ist Nettogewinner

Nicht zuletzt: Was ist es Österreich wert, dass seine hochqualitativen Nahrungsmittel, seine modernen Maschinen, seine innovativen Ingenieure, seine wettbewerbsfähigen Banken ungehinderten Zugang zu 27 Ländern haben? Wer ist da Nettozahler? Fest steht: Österreich ist Nettogewinner.

Die Zeit für Antworten auf die Fragen nach dem Geld drängt also. Deswegen war EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger am Montag in Wien, deswegen hat die EU-Kommission am Mittwoch die Eckpunkte für die künftigen Budgetpläne vorgestellt, deswegen müssen die EU-Staats- und Regierungschefs bei ihrem Gipfel nächste Woche Farbe bekennen, was sie künftig von der EU erwarten.

...droht der Zahlungsstillstand

Nur wenn wir wissen, was wir eigentlich gemeinsam erreichen wollen, können wir sinnvoll über Geld reden. Anfang Mai wird die EU-Kommission dann den Entwurf für die Finanzierung der Union für die sieben Jahre ab 2021 vorlegen. Die Zeit drängt, denn Österreichs Bauern, Forscher, Beschäftigte und Landeshauptleute werden die Zeche zahlen, wenn die Entscheidung sich verzögert. Wenn es nicht gelingt, unter der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft eine grundsätzliche Einigung herbeizuführen, droht Zahlungsstillstand am 1. Jänner 2021.

Wie soll der Landwirt planen, wenn er sein künftiges Einkommen nicht kennt? Welches Zukunftsprojekt soll die Forscherin anpacken, wenn der EU-Zuschuss unklar ist? Wie soll der Landeshauptmann benachteiligte Regionen fördern, wenn er nicht weiß, womit? Viele erinnern sich, wie sie 2014 fast ein ganzes Jahr auf dem Trockenen saßen, weil sich die Staats- und Regierungschefs erst in letzter Minute geeinigt hatten.

Das darf nicht wieder passieren. Daher hat Österreichs Ratspräsidentschaft eine besondere Verantwortung – und gleichzeitig eine Chance: Als Nettozahler und Nettogewinner der EU kann Österreich bei einer Weichenstellung für Europas Zukunft maßgeblich mitgestalten. Wenn es gelingt, freut das nicht nur uns Bürokraten, sondern vor allem die Bauern vom Bregenzerwald bis ins Burgenland.

Jörg Wojahn (geboren 1971 in München) ist seit September 2015 Vertreter der Europäischen Kommission in Österreich.


E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.02.2018)

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