Gastkommentar

Der nächste große Schritt – hinein in die digitale Welt

Die Senioren dürfen nicht am Wegrand des Fortschritts verharren.

Nicht nur die österreichische Regierung setzt einen politischen Schwerpunkt im Bereich Digitalisierung; indem sich unter anderem die Einführung einer sogenannten Bürgerkarte im Arbeitsprogramm findet. Ziel dabei ist, dass man alle Dokumente von der E-Card über Führerschein bis zum Reisepass auf seinem Smartphone abrufen kann. Das ist aber nur ein Beispiel, das am Start steht.

Wo immer eine Wahl ansteht oder eine Regierung gebildet wird, geht es auch um den Ausbau der Breitbandkommunikation, des Internets mit all seinen technischen Spielarten. Europa darf sich weder von den US-amerikanischen noch asiatischen IT-Riesen die Zukunft diktieren lassen, sondern muss seinen eigenen Weg gehen. Das ist nicht nur eine Lehre, die uns die Politik der USA unter Donald Trump zu ziehen veranlasst.
Wenn man sich in Europa und der Welt die Entwicklung anschaut, dann ist der Schluss durchaus zulässig, dass wir vor dem Eintritt in ein neues Zeitalter stehen, nämlich jenem der digitalen Welt.

Solche Umbrüche sind nicht nur Hoffnungsträger und verbreiten Aufbruchstimmung, sondern sie versetzen auch viele Menschen in Sorge. Menschen, die sich nicht von lieb gewordenen Traditionen trennen wollen, die Angst davor haben, sich auf völlig neue Gewohnheiten ein- und umstellen zu müssen; die sich mit Händen und Füßen wehren würden, sollte das Einsetzen eines Chips in den Körper zur Pflicht werden.

Erfolgsbeispiel E-Card

Die Geschichte der Menschheit ist von der Weiterentwicklung gekennzeichnet. Wie viele kritische Kommentare gab es, als vor zehn Jahren der Krankenschein ausgedient hatte und die E-Card eingeführt wurde. Man fürchtete um die Privatsphäre, glaubte, dadurch den persönlichen Kontakt zum Hausarzt zu verlieren. Heute beneiden uns andere europäische Länder um diese E-Card. Ja man wünscht sich deren Ausbau, damit man nicht, wenn mehrere Ärzte oder auch Spitäler aufzusuchen sind, sich allen Grunduntersuchungen aufs Neue unterziehen muss. Weil von den Blutwerten bis zur CT alles auf der E-Card gespeichert ist.

Keine Drohung, eine Chance

Keine Frage, die ältere Generation tut sich mitunter schwer, von eingefahrenen Methoden Abschied zu nehmen. Wenn man heute Jugendliche beobachtet, mit welcher Behändigkeit sie SMS und WhatsApp-Botschaften versenden, könnten so manche älteren Semesters vor Neid erblassen. Inzwischen versenden aber auch sie mehr Briefe per E-Mail denn per Post. Mittlerweile nutzen auch sie das Einkaufen übers Internet und verfolgen den Alltagstratsch ihrer Kinder und Freunde auf Facebook.

Der nächste große Schritt, jener in die digitale Welt, muss von der Politik gut vorbereitet und vor allem begleitet werden. Das gilt nicht nur für die jüngere Generation, die eine schnellere Aufnahmefähigkeit hat, sondern gerade auch für Senioren. Und je nachdem, wo man den Übergang von der mittleren in die ältere Altersgruppe sieht: Die Senioren stellen heute ein Viertel bis ein Drittel der Bevölkerung. Sie dürfen nicht am Wegrand des Fortschritts verbleiben, sondern müssen mitgenommen werden, samt ihrem Schatz an Erfahrung und Übersicht.

Genau dafür zu sorgen wird eine zentrale Aufgabe der Politik sein. Gleichzeitig ist es aber auch notwendig, die entsprechenden Angebote zu nutzen – wie etwa jenes des lebenslangen Lernens. Das ist keine Drohung, sondern Chance und Herausforderung, as Bestmögliche aus dem Leben zu machen.

Ingrid Korosec (geboren 1940 in Böheimkirchen) war Nationalratsabgeordnete der ÖVP und sechs Jahre lang Volksanwältin. Seit Anfang 2016 ist sie Vorsitzende des Österreichischen Seniorenbundes.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.02.2018)

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