Wo Metternichs Geist noch weht

Sind Schriftsteller noch immer die Leute, die dem Staat umso lästiger werden, je besser es ihnen geht?

Ein neuer Finanzminister weckt Hoffnungen, wenn er mit der Absicht antritt, vieles anders und besser zu machen. Auch die österreichischen Schriftsteller dürfen jetzt hoffen. Ihre Behandlung stellt ein geradezu klassisches Beispiel für die ungerechte Behandlung einer Gruppe von Steuerzahlern dar.

Das österreichische Steuerrecht berücksichtigt nämlich, dass viele Erfinder oft jahrelang warten oder gar ein halbes Leben lang darben, bevor sie Geld für ihre Leistung sehen. Daher wird auf Einkünfte aufgrund selbst geschaffener patentrechtlich geschützter Erfindungen der halbe Steuersatz angewendet.

Dass Romane jahrelang herumliegen, ehe sie erscheinen, ist mehr oder weniger ihr Normalschicksal. Für Lyrik gilt das erst recht, sie bringt kaum Geld, für die Minihonorare aber muss auch noch der volle Spitzensteuersatz gezahlt werden. Literatur hat, anders als manche Erfindungen, geringen volkswirtschaftlichen Nutzen, aber ihren kulturellen Wert und ihren Beitrag zum Ansehen des Landes wird wohl niemand abstreiten.

Da stellt sich schon die Frage: Warum nimmt das Steuergesetz Rücksicht auf die besondere Situation der Erfinder, auf die sehr ähnliche der Schriftsteller aber nicht? Dabei hatten diese den Hälftesteuersatz schon einmal ein paar Jahre lang. Er wurde dann aber wieder gestrichen.

Unregelmäßigkeit ist normal

Für die überwiegende Mehrheit der Autoren ist die Unregelmäßigkeit ihres Einkommens der Normalfall. Auch die Erfolgreichen leben oft zwischen ihren Erfolgen viele Jahre vom jüngsten Buch. Nach der Streichung des Hälftesteuersatzes für selbst geschaffene Urheberrechte wurde treuherzig erklärt, die Autoren dürften die Einkünfte eines guten Jahres ja auf drei Jahre verteilen.

Das war nicht zuletzt auch ein Hohn auf die stolze Menge der Literatur, die erst in den Nachlässen zum Vorschein kommt und die beweist, dass die meisten Schriftsteller ohnehin nur für einen Teil ihrer Leistung entlohnt werden und den anderen Teil für die Nachwelt schaffen, unter ihnen etliche der Größten. Oder fürs Altpapier.

Nur ein Kollateralnutzen

Aber auch das ist notwendig in einem Beruf, in dem wieder und wieder versucht wird – und nur das für geglückt Erachtete an die Öffentlichkeit kommt. Der aber von der Steuer so behandelt wird wie kontinuierlich verdienende Manager oder Anwälte.

Übrigens war der Hälftesteuersatz für die Autoren wahrscheinlich sowieso nur ein Kollateralnutzen, weil offenbar weder bei dessen Einführung noch bei der Streichung primär an sie gedacht wurde. Ich hatte damals ein Gespräch mit einem hohen Herrn im Finanzministerium, weil der Hälftesteuersatz selbst in der Zeit, in der er den Autoren zugestanden wurde, nur dann in Anspruch genommen werden konnte, wenn die Einkünfte aus selbst geschaffenen Urheberrechten ein Nebeneinkommen darstellten. Ich wollte wissen, warum diese Einschränkung nur für Autoren gelte, nicht aber für Erfinder. Der hohe Herr öffnete mir die Augen: Die Bestimmung sei die Erfindung von Ministerialbeamten gewesen, die nebenbei juristische Bücher schrieben.

Die Ungleichbehandlung von zweierlei geistiger Arbeit, des technischen Erfindergeistes und der Literatur, ist eines Metternich würdig, für den Schriftsteller sowieso nur Leute waren, die umso lästiger wurden, je besser es ihnen ging. Der Geist des Vormärz aber passt nicht zu einer modernen Demokratie. Der Gerechtigkeitssinn und das der heutigen Zeit entsprechende Denken eines Ministers sind gefragt.

Hellmut Butterweck ist Journalist und Autor historischer Sachbücher. 2016 erhielt er den Preis für Publizistik der Stadt Wien. Er ist Vorstandsmitglied der Interessengemeinschaft österreichischer Autorinnen und Autoren.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.02.2018)

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