Die Diätkur für das Bundesheer geht weiter

Entgegen den Versprechungen der blauen Regierungspartei gibt es für die Landesverteidigung nicht wirklich mehr Geld. Dringend notwendige Großbeschaffungen wird es deshalb wohl weiterhin keine geben.

Die FPÖ-Wahlkampfgranate von einem Prozent des Bruttoinlandsproduktes für die Landesverteidigung – sie ist am Mittwoch in der Budgetrede des türkisen Finanzministers, Hartwig Löger, nicht explodiert. Ja das Bundesheer kam in dieser Rede nicht einmal vor!

Aus den projektierten rund 0,6 Prozent des BIPs fürs Militär lassen sich die längst überfälligen Großbeschaffungen niemals bestreiten. Dafür tauchen zur Vernebelung nun vermehrt Begriffe wie „Sonderinvests“ oder „Sideletters“ auf.

Verteidigungsminister Mario Kunasek wird in Heereskreisen bereits mit „Soldatna“-Klug (dem unglücklichen Vorvorgänger Gerald Klug) verglichen. Jener wollte gar nicht mehr Mittel, die FPÖ dagegen sehr wohl. Ist Blau da an einer türkisen Mauer zerschellt?

Am Fliegerhorst Langenlebarn nahm der neue Ressortchef im Jänner in einem der neun S-70 Black-Hawk-Helikopter Platz. Darin hingen statt vier Bildschirmen aus drei Löchern die Kabelstränge. „Das ist der Istzustand, Herr Minister, ein Hubschrauber ist deshalb zwei Jahre in Amerika, vier sind nicht flugfähig“, so die Erklärung.

Mehr Wertschätzung

Alle Achtung, kein Potemkinsches Dorf, in dem alles sich dreht und blinkt, für den Minister. Dann präsentierte man Kunasek zwei OH-58B Kiowa-Hubschrauber. Als der Minister das Baujahr beziehungsweise die Indienststellung abfragte, erwiderte der Pilot davor: „1976, Herr Minister.“ Darauf Kunasek: „1976? Die sind ja so alt wie ich.“ Und diese Feststellung träfe für das verwendete Gerät in vielen Truppengattungen zu . . .

Wieder ein Verteidigungsminister also, der zwar dem Bundesheer ideologisch wie auch persönlich positiv gegenübersteht, ihm aber für einen höheren Stellenwert und mit den dafür notwendigen zusätzlichen Mitteln nicht weiterhelfen kann. Gerade das Bundesheer aber war zuletzt eigentlich eine Antithese zum viel beklagten Auseinanderklaffen von veröffentlichter und öffentlicher Meinung.

Seit dem Panzerkrieg im Donbass oder den Migrationsströmen 2015/2016 war selbst bei vielen stets naserümpfenden Journalisten eine Tendenz hin zu mehr Wertschätzung für das Bundesheer ablesbar. Denn auch sie spürten in einer sicherheitssensibilisierten Bevölkerung die deutliche Trendwende hin zu mehr – auch finanzieller – Akzeptanz des Heeres.

2015 reagierten sogar die Parlamentarier mit einem historischen Allparteienbeschluss für ein Ende des Sparkurses. Und den ließ man Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil sogar umsetzen – zumindest teilweise. Doch dieser Effekt läuft 2021 aus. Danach fehlen jährlich etliche 100 Millionen Euro, dann wird es wohl finster. Außer „Sonderinvests“ brächten eine Milliarde . . .

Was bleibt, ist „Krempel“

Die FPÖ hat 2017 das Momentum pro Heer super bespielt, vielleicht hat sie auch daran geglaubt: „FPÖ will Heeresbudget um ein Drittel aufstocken“ („Kurier“ 15. 11.) oder „Schwarz-Blau will Heer umkrempeln“ („Die Presse“ 18. 11.).

Was von diesen Überschriften bezüglich der bereits seit gut zehn Jahren immer wieder hinausgeschobenen Großbeschaffungen etwa im Luftbereich übrig bleibt, ist leider der Wortteil „Krempel“. Die betroffenen Einheiten zeigen dabei großartige Professionalität.

Denn sie haben bisher verhindert, dass der Einsatz des schon jahrzehntealten obsoleten Geräts regelmäßig Todesopfer fordert. Am Rande sei erwähnt, dass englische Fachzeitschriften monatlich auf drei eng beschriebenen Seiten weltweite Verluste und Abstürze auflisten.

Für ein Industrieland der Ersten Welt, in dem sonst alle dem neuesten technischen Gadget nachrennen, ist es jedoch eine Schande, dass 22-Jährige mit Jets und Hubschraubern aufsteigen müssen, die um die 50 Jahre alt sind! Den riesigen Investitionsrückstau – der Autor hat ihn für Jane's Defence vor Jahren auf inzwischen über zehn Milliarden Euro hochgerechnet – wird man auch durch situationselastische Nachverhandlungen nicht mehr aufholen können.

Das Desinteresse der ÖVP

Denn am Ende geht es immer um Stückzahlen beziehungsweise Einsatzorte. So technisch fortschrittlich können zehn, zwölf oder 14 neue Hubschrauber gar nicht sein, dass sie gut 30 Alouette-III- und OH-58-Helikopter ersetzen könnten. Sechs Helis nach Aigen, acht nach Langenlebarn? Transport einer größeren Einheit in einem Lift? Das kann man vergessen.

Nein, auch Mario Kunaseks PR-Bemühungen können nur tarnen, dass seinem schwarz-türkisen Koalitionspartner das Heer abseits des Landeshauptmann-Kolorits offenkundig relativ egal ist. Erstaunlich dann freilich die hohe ÖVP-Dichte unter Offizieren . . .

Einer davon erinnerte den Autor in diesem Zusammenhang zuletzt an die streng katholischen, christlichsozialen Pazifisten Julius Raab, Leopold Figl, Josef Klaus oder Erhard Busek. Dem neuen Bundeskanzler, Sebastian Kurz, wird in Heereskreisen – wie einst auch schon Wolfgang Schüssel – überhaupt ein persönliches Desinteresse am Zustand des Heeres nachgesagt. Daran ändern auch Nebelgranaten wie jene von Ende 2015 nichts. Damals erklärte ein gewisser Bernd Schönegger: „Ganz Europa rüstet bei Innerer Sicherheit und Landesverteidigung auf. Nur unser Verteidigungsminister will kein Geld fürs Heer. Jetzt gilt es, umzukehren!“ Ja eh – also? (Anmerkung: Schönegger war VP-Wehrsprecher.)

Man frage Platter und Darabos

Was immer eine neue Kommission zur Luftlage somit folgern oder verwerfen wird: Man frage nach beim jetzigen Tiroler Landeshauptmann, Günther Platter. Der strich 2003 die heute von einer Kommission als essenziell vermisste Allwetterlenkwaffe von der Beschaffungsliste.

Oder man frage Norbert Darabos. Ebenfalls ein pazifistischer Militärgegner und – wie er selbst bestätigte – ohne militärisches Motiv, verstümmelte er auf Drängen seines Kanzlers das weltweit zweitbeste Flugzeug. Willfährige Offiziere halfen ihm dabei, denn auch für den größten Irrsinn findet sich immer ein Karrierist, der mitspielt.

Eine Chuzpe, dem Eurofighter nun 2017 nachzuspucken, er sei „für das, was er kann, zu teuer“ – und hochtrabend eine Neubeschaffung anzukündigen! Ersatz für Fluggerät, das wir alle erst seit vier Jahren abbezahlt haben! Und womit neue Flugzeuge kaufen? Jede Flugzeugbeschaffung der vergangenen Jahre illustriert, dass man für 15 bis 18 Stück heute fast das Doppelte dessen kalkulieren muss, was einst das Heeresbudget vorsah.

Fazit: Man kann bald froh sein, anstatt der Saab-105 (Baujahr 1970!) ein paar moderne und bewaffnungsfähige Jet-Trainer leasen zu können. Die fliegen um ein Zehntel dessen, was eine Eurofighter-Stunde kostet. Die Eurofighter-Hersteller haben wir geklagt, gratis wird man die 15 Tranche-1-Flieger, die seit elf Jahren unfallfrei für Luftraumsicherheit und die Souveränität der Republik gesorgt haben, also nicht aufmöbeln können.

DER AUTOR

E-Mails an:debatte@diepresse.comGeorg Mader (geboren 1962) ist ein seit 25 Jahren tätiger Militärjournalist mit Spezialisierung auf die militärische Luftfahrt. Er ist Korrespondent bzw. Autor und Fotograf für internationale und heimische Militärmedien, so das renommierte britische Sicherheits- und Militärverlagshaus IHS Jane's Defence, „Military Technology“ und „Militär aktuell“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.03.2018)

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