Medienkriege in Georgien

Medien sind staatsfrei. Georgien, willkommen in Nato und EU!

Das in Tiflis erscheinende englischsprachige Magazin „Weekly Georgian Journal“ zeigte auf dem Titelblatt seiner Ausgabe vom 12.–18.November 2009 einen jungen russischen Soldaten, der die vier georgischen Jugendlichen bewacht, die Anfang November die Grenze von Georgien nach Südossetien überquerten und dort seitdem widerrechtlich zurückgehalten werden. Doch der Leser traut seinen Augen kaum. Auf dem Ärmel der russischen Uniformjacke prangt ein großes Hakenkreuz! Wie bitte – ein Hakenkreuz auf einer russischen Uniform? Ganz offensichtlich eine Bildmontage, um die Russen medial einmal wieder kräftig ins Reich des Bösen zu verdammen. Im Zeitalter digitaler Bildmanipulationen im Übrigen eine recht plumpe Fälschung – hier wurde offensichtlich noch mit Schere und Klebstoff manipuliert.

Plump gemessen auch daran, dass die georgische Regierung unter Michael Saakaschwili inzwischen eine größere, zweistellige Millionensumme an amerikanischen Dollars für Medienmanipulation, Werbung und Public Relations ausgegeben hat, um ihr Image als junge, westlich orientierte Demokratie bei der NATO, in den USA und Westeuropa hoffähig zu machen.

Lichtscheues Lobby-Dreieck

Im Jahre 2008 verteilten sich Lobbying und PR für Saakaschwili auf drei westliche Profis: Orion Strategies, Squire-Sanders Public Advocacy – beide mit Sitz in Washington – und Aspect Consulting in Brüssel, London und Tiflis. Die Orion-Gruppe war in der Hand des Lobbyisten Randy Scheunemann, des früheren außenpolitischen Beraters des republikanischen US-Präsidentschaftskandidaten John McCain, bei Squire-Sanders hatte das Sagen Patrick O'Donnell, früher Rechtsberater der ehemaligen US-Präsidenten Nixon und Ford, und bei der Aspect-Filiale in Tiflis gab und gibt der deutsche Journalist Patrick Worms den Ton an – zuvor hatte er in der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit der EU-Kommission unter der früheren Kommissarin Margot Wallström gearbeitet.

Mal in der Politik, mal im Consultingbereich, mal öffentliche Hand, mal Privatwirtschaft: Man kennt sich, man bleibt unter sich, und man ist Teil von Seilschaften; man trickst, man spielt sich gegenseitig die Bälle zu und spielt zudem höchst effizient. Irgendwo in diesem recht lichtscheuen PR-Lobby-Dreieck muss auch die Idee geboren worden sein, einen Hollywood-Spielfilm über Saakaschwili als siegstrahlenden Kriegshelden über die bösen Russen im Krieg vom August 2008 zu drehen.

Im ersten Berichtsband der sogenannten Independent International Fact-Finding Mission on the Conflict in Georgia vom September 2009 der Schweizer Diplomatin Heidi Tagliavini an die EU-Kommission heißt es eindeutig und unzweifelhaft: „Die offenen Feindseligkeiten begannen mit einer großen georgischen Militäroperation gegen die Stadt Tskhinvali und Umgebung in der Nacht vom 7. auf den 8. August 2008. Diese Operation begann mit einem massiven georgischen Angriff der Artillerie.“ Diese beiden Sätze wurden bislang nicht nur in keinem georgischen Massenmedium erwähnt – der geplante Jubel- und Kriegsfilm des finnisch-US-amerikanischen Filmregisseurs Renny Harlin vom Filmstudio Rexmedia aus Los Angeles wird Saakaschwili außerdem und obendrein fälschlicherweise nochmals als Opfer und Sieger abfeiern. Wer bezahlt diesen Multimillionenfilm mit dem kubanisch-US-amerikanischen Hollywood-Schauspieler Andy Garcia in der Rolle von Saakaschwili? Es scheint sicher zu sein, dass das Georgian National Film Centre zunächst einmal bei der Erstellung des Skripts geholfen sowie weitere „Starthilfen“ gegeben hat. Sicher ist auch, dass die Parlamentsabgeordnete Papuna Davitaia eine der Koproduzenten des Films ist. Befragt man Rexmedia, ob die georgische Regierung den Film bezahlt habe, wird das strikt zurückgewiesen, der Film werde völlig normal finanziert, nämlich durch „Private-Equity-Kapital, Vorverkäufe und Bankenfinanzierung“. Wer sich nach dieser Auskunft freilich hinter dem „Private-Equity-Kapital“ verbirgt, muss offen bleiben – prinzipiell könnten das sowohl der georgische Staat als auch das International Republican Institute sein, in dem der US-amerikanische Georgien-Lobbyist Randy Scheunemann Sitz und Stimme hat.

Regierungsunabhängige Medien gibt es in Georgien nicht. Stattdessen drangen Spezialeinheiten der Regierung Saakaschwili am 7.November 2007 in den Senderaum des oppositionellen TV-Senders „Imeti“ (Hoffnung) ein und übernahmen ihn, und stattdessen gibt es seit 2007 mit „Sakartvelo“ (Georgien) sogar ein staatliches Militärfernsehen, das die Bevölkerung mit martialischen Kriegsfilmen zu Patriotismus und Militarismus erziehen will, ganz ähnlich den regierungsamtlichen Jugendcamps, in denen von 2004 bis heute rund 100.000 georgische Jugendliche zu autoritärem Verhalten und Führerkult erzogen wurden. Und im staatlich kontrollierten TV-Kanal 1 gibt es durchaus auch einmal ein Kinderstunde, in der Kinder im Kindergartenalter die Grenzen Georgiens mit Soldaten umstellen und dabei auch Schiffe an Georgiens Westküste im Schwarzen Meer einsetzen.

Medien sind staatsfrei. Die Nato, die EU und der Lissabon-Vertrag sind eine westliche Wertegemeinschaft. Wie staatsfrei die Medien in der EU sind, demonstrieren ganz dreist nicht nur Berlusconi in Italien kontinuierlich und seit Langem und Sarkozy in Frankreich, sondern auch der hessische Ministerpräsident Koch, als er mit gesammeltem CDU-Druck am Freitag, den 27. November 2009 im Verwaltungsrat des ZDF den ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender abwählen ließ. Wie gesagt: Medien sind staatsfrei, willkommen, Georgien, in Nato und EU!

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.02.2010)

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