Gastkommentar

Das Alkoholverbot führt zu weiterer Ausgrenzung

Öffentliche Räume sollten für ausgeschlossene Menschen erhalten bleiben.

Nach Karlsplatz und Stadtpark ist es jetzt der Praterstern. Öffentliche Räume werden vom Boulevard und von populistischer Politik immer wieder skandalisiert. Dabei werden Fakten einfach ignoriert. Tatsächlich zeigen sich in öffentlichen Räumen gesellschaftliche Probleme, wie Armut und soziale Ausgrenzung. Auf zentralen Plätzen halten sich Menschen auf, die besonders auf öffentlichen Raum angewiesen sind.

Das sind Menschen, die mangelhaft über Wohnraum verfügen, wie Wohnungslose. Das sind Menschen, die sonst keinen Raum für den täglichen Aufenthalt haben. Es sind Suchtkranke, die gesellschaftlich ausgegrenzt sind. Der Aufenthalt im öffentlichen Raum lässt diese ausgeschlossenen Menschen in gewisser Weise noch Teil der Gesellschaft sein. Alkoholverbote in öffentlichen Räumen richten sich gegen diese Menschen.

Menschen, die sonst nirgends mehr sein können, werden verdrängt und verlieren diese Orte des Aufenthalts. Durch die Verdrängung wird das „Problem“ aber nur verlagert, was sich in der Vergangenheit immer wieder gezeigt hat (wie bei der „Auflösung der Szene“ am Karlsplatz).

Folgen der Verdrängung

Die „Mobilisierung der Szene“ hat zumindest zwei weitreichende Folgen: Erstens wird es der Sozialen Arbeit erschwert, Hilfe anzubieten. Und zweitens wird „die Szene“ an vielen anderen Orten sichtbar. Nach einiger Zeit werden sich die betroffenen Menschen an diesen Plätzen niederlassen. Sie werden immer mehr an den Rand und auch in Wohngebiete gedrängt.

Weil die Folgen der Verdrängungen aus öffentlichen Räumen wissenschaftlich bekannt sind und weil Experten und Expertinnen der Sozialen Arbeit vor Ort von einem Alkoholverbot abgeraten haben, entschied sich die Stadt noch vor Wochen gegen diese Maßnahme. Ähnliches Fachwissen war auch Grundlage für die Erstellung eines Mission Statement „Soziale Arbeit im öffentlichen Raum“, das 2013 von fünf Stadträtinnen verabschiedet wurde und sich „gegen jegliche Form von Diskriminierung in und Verdrängung aus dem öffentlichen Raum“ ausspricht.

Die Armut verschwindet nicht

Das Alkoholverbot steht aber auch im Widerspruch zur Deklaration „Wien als Menschenrechtsstadt“, die 2014 vom Gemeinderat beschlossen wurde. Es ist gezielt gegen eine wenig finanzkräftige Gruppe gerichtet. Der Alkoholkonsum im Rahmen kommerzieller Angebote wird ja nicht eingeschränkt.

Für die Verdrängung von wenigen Menschen vom Praterstern werden hohe Kosten in Kauf genommen (Exekution des Alkoholverbotes). Die Armut in Metropolen verschwindet durch Verdrängungsmaßnahmen nicht. Daher sind diese Städte gefordert, mit öffentlich sichtbarer Armut adäquat umzugehen.

Neben der sozialen Versorgung der Menschen geht es darum, öffentliche Räume für ausgeschlossene Menschen zu erhalten. Expertisen aus der Planung und der Sozialen Arbeit zeigen, dass große zentrale Plätze wie der Praterstern besonders gut geeignet sind, vielfältige und widersprüchliche urbane Nutzungen aufzunehmen. Es ist leichter, einander auszuweichen, und ausgegrenzte Personen können sich auf Plätze zurückziehen, in denen sie sich nicht im Blickfeld aller befinden. Um zu einem menschlichen Umgang mit Armut und Ausgrenzung zurückzufinden, auch im Interesse der Wohnbevölkerung, sollten künftig wieder Fachleute in Entscheidungen einbezogen werden.

Christoph Stoik ist FH-Professor am FH Campus Wien sowie Sprecher der AG Sozialer Raum der Österreichischen Gesellschaft für Soziale Arbeit (OGSA) und beschäftigt sich in Lehre und Forschung mit Sozialer Arbeit im öffentlichen Raum.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.04.2018)

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