Gastkommentar

Waffen und Ziele des Islamismus

Europa unterschätzt noch immer die Gefahren, die von einem militanten politischen Islam ausgehen.

In den 1970er-Jahren kam es in der gesamten islamischen Welt zu einem Erwachungsprozess. Er manifestierte sich im Erstarken der Religiosität sowie im zunehmenden Einfluss der islamischen Kultur. Diese Reislamisierung ist als Abwehrreaktion gegen die Verwestlichung und die Modernisierung zu verstehen und äußerte sich durch Terrorattacken auf Zivilisten ebenso wie auf militärische Ziele.

Aus westlicher Perspektive ergibt sich, dass der Einfluss des Islam im Vergleich zum Christentum immer mehr zunimmt. Die Regierungen im Iran, Sudan, Afghanistan/Taliban, Ägypten, Libyen und Pakistan sind indirekt Produkte des Wiederauflebens des Islamismus ebenso wie die türkische Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung (AKP) von Recep Tayyip Erdoğan. Bedauerlicherweise wurde dem Erstarken des Islamismus im Westen mit Unverständnis begegnet.

Die Salafisten sind eine rasch wachsende Gruppierung in Europa, sie unterminieren das schwächer werdende Christentum mit ihren Ideen. Die Behauptung, dass der Koran in seinen Suren gegen jede Art von Kampf und Krieg sei, ist falsch, weil es sehr wohl Suren gibt, in denen das Gegenteil normiert ist. Der Jihad findet immer immer mehr Anhänger. Das signalisiert eine Rückkehr zur islamischen Politik der ersten Kalifen und dem Zusammenschluss der Muslime gegen die Christenheit.

Fehlgeschlagene Integration

In der Türkei propagiert Erdoğan den Neo-Osmanismus und Panturkismus. Erst unlängst hat er zum heiligen Krieg aufgerufen. Die Mehrheit der in Europa lebenden Türken hat den türkischen Pass behalten. Ihre Integration in die europäischen Gesellschaften ist nicht gelungen, weil Erdoğan Signale an seine Landsleute sendet und ihnen Versprechungen macht, die sie mehr ansprechen, als es die Politik in ihrer neuen Heimat vermag.Von den europäischen Staaten ist zu überlegen, wie dem politischen Islamismus Einhalt geboten werden kann. Es ist nicht auszuschließen, dass Erdoğan seine Machtfülle mit Hilfe seiner Millionen Landsleute über Teile Europas auszuweiten trachtet.

Böse Erinnerungen

Böse Erinnerungen kommen da auf an das brutale Vorgehen der Türken gegen Armenier und Kurden. Erdoğan versteht es auf geradezu diabolische Weise, Europas Abhängigkeit im Hinblick auf die Rücknahme von Flüchtlingen auszunützen, und er lässt sich dafür und als Mitglied der Nato mit Kriegsmaterial beliefern.

Die Gefahren, die von einem militanten politischen Islam ausgehen, werden in Europa in Unkenntnis der Geschichte noch sehr unterschätzt. Durch die Uneinigkeit innerhalb der EU aber wird dieses Problem nur noch brisanter.

Der Islamismus verheimlicht keineswegs seine Absicht, den Westen zur Religion des Propheten zu bekehren. Terrorismus, wirtschaftlicher Druck mit der Öl-Waffe und psychologische Kriegsführung sind seine Waffen. Der Islam duldet auch keine Kritik am Konzept des Jihad.

Die Geschichte der Menschheit zeigt, dass sie nicht statisch, sondern dynamisch ist. Es sind schon zahlreiche Völker und blühende Kulturen untergegangen. Es ist dies keine Angelegenheit, bei der man zwischen den Guten auf der einen, den Bösen auf der anderen Seite unterscheiden kann. Denn wie bei einem Epos vermischt und überschneidet sich hier alles im Laufe der Zeit.

Der menschliche Charakter ist vielfältig: servil, korrupt, kraftlos, kleinmütig und überheblich, aber auch gleichzeitig gebildet, fleißig und heldenhaft – in einem menschlichen Magma geformt, dem sich der Historiker nur mit Respekt nähern kann.

Prof. Dr. Nikolaus Lehner (*1939 in Wien) war 40 Jahre lang als Rechtsanwalt in Wien tätig, spezialisiert auf Kunst, Kultur und Patientenschutz.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.06.2018)

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