Iran vor Verhandlungen mit dem "großen Satan"

Es dürfte dem Regime schwerfallen, Direktgespräche mit dem Erzfeind USA gegenüber der eigenen Bevölkerung zu erklären.

US-Präsident Donald Trump hat bei seiner gemeinsamen Pressekonferenz mit dem italienischen Ministerpräsidenten, Giuseppe Conte, welcher vor Kurzem auf Besuch in Washington war, auf die Frage eines Journalisten geantwortet, dass er bereit sei, sich jederzeit und „ohne Vorbedingungen“ mit der iranischen Führung zu treffen.

Einen Tag darauf hat jedoch sein Außenminister, Mike Pompeo, auf CNBC drei Bedingungen verlautbart, die erfüllt werden müssen, bevor Präsident Trump sich mit der Staatsführung des Iran trifft: Erstens, „dass die Iraner eine Verpflichtung eingehen, eine grundlegende Änderung der Behandlung ihrer eigenen Bevölkerung zu vollziehen“; zweitens „ihr bösartiges Verhalten reduzieren“; und drittens „zustimmen, dass ein Atomabkommen abgeschlossen wird, das die Verbreitung von Atomwaffen verhindert“.

Im Iran fiel die Reaktion verschiedentlich aus: Der Oberkommandierende der Revolutionsgardisten, Mohammad Ali Djafari, meinte, der „Iran sei nicht Nordkorea“, und dass „das iranische Volk kein Mandat an die Verantwortlichen erteilt hätte, mit den USA zu verhandeln“. Der stellvertretende Parlamentssprecher, Motahari, rät von Verhandlungen mit den USA als eine „Demütigung“ ab. Ein Berater von Präsident Rohani meinte, dass die USA zum Atomdeal zurückkehren müssten, welcher unter Präsident Obama mit den ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrates plus Deutschland ausgehandelt worden war, und dass es keine neuen Sanktionen gegen den Iran geben sollte.

Geschwächter Iran

Die Frage ist nun, unter welchen Bedingungen die Verhandlungen geführt werden würden. Es dürfte dem islamischen Regime sehr schwerfallen, Argumente gegenüber der eigenen Bevölkerung zu finden, um ein Direktgespräch mit seinem Erzfeind, dem „großen Satan“, den USA, zu rechtfertigen. Fast vierzig Jahre lang wurden die Parolen „Tod über Amerika“ und „Vernichtung von Israel“ in der Außenwelt als ein Wahrzeichen der Islamischen Republik Iran wahrgenommen.

Der Zeitpunkt für Verhandlungen mit den USA ist gegenwärtig jedoch sehr schlecht. Der Iran ist innen- als auch außenpolitisch geschwächt und kann daher keineswegs aus einer Position der Stärke in Verhandlungen gehen.

Die seit Dezember 2017 andauernden Proteste gegen die Arbeitslosigkeit, wachsende Einkommensungleichheit, die landesweiten Arbeiterstreiks, die steigende Abwertung der iranischen Währung (Rial) gegenüber dem US-Dollar und die Verteuerung der Lebensmittel sind eindeutige Anzeichen dafür, dass das gegenwärtige Regime im Iran kaum in der Lage ist, die notwendigen Lösungsmaßnahmen zu setzen. Die Wasserknappheit in Khuzestan und Isfahan hat zu massiven Protesten der Einheimischen geführt. Hinzu kommt noch der Umstand, dass durch weitverbreitete Korruption und Machtmissbrauch das Regime in den Augen vieler seiner Anhänger die religiöse und gesellschaftspolitische Legitimität verloren hat und somit kein Ansehen mehr innerhalb der Bevölkerung genießt.

Außenpolitisch betrachtet, hat Iran durch seine militärischen Aktivitäten im Nahen Osten herbe Rückschläge erlitten. Im Mai dieses Jahres hat die israelische Luftwaffe 44 militärische Stützpunkte der Revolutionsgardisten in Syrien zerstört, wodurch mehrere Pasdaran ums Leben kamen. Durch die Annäherung Israels an Russland ist Iran unter massiven Druck geraten, sich aus Syrien zurückzuziehen, um nicht nur die Bedrohung Israels aus den benachbarten Grenzgebieten, sondern auch die Unterstützung der Hisbollah im Libanon zu unterbinden.

Land in aussichtsloser Position

Die vor Kurzem im Irak abgehaltenen Parlamentswahlen haben gezeigt, dass die vormals vom Iran unterstützten Milizen und politischen Akteure, wie etwa Muqtada al-Sadr, ihre Sympathien für die Islamische Republik Iran verloren und sich gegen die Präsenz des Iran in schiitischen Gebieten gestellt haben. Auch die Annäherung von Muqtada al-Sadr an das saudische Königshaus zeigt eine Kehrtwendung seiner bisherigen Politik gegenüber dem Iran.

Am 6. August bzw. 4. November dieses Jahres treten die am 8. Mai von Präsident Trump angekündigten US-Sanktionen gegen den Iran in Kraft. Durch diese Sanktionen wird dem Iran jegliche Wirtschaftsaktivität, insbesondere im Ölsektor – seine Haupteinnahmequelle – untersagt und das Land in eine aussichtslose Position gebracht, welche wiederum nicht die Regierung, sondern die gesamte Bevölkerung des Iran treffen wird.

Bedingt durch die wirtschaftliche Lage des Landes und die kommenden US-Sanktionen gegen den Iran sowie die damit verbundenen Reaktionen europäischer Firmen, nicht mehr im Iran investieren zu wollen, werden gegenwärtig politische Auseinandersetzungen innerhalb der Staatsführung offen ausgetragen, um die Schuldigen öffentlich an den Pranger zu stellen. Diesmal ist wiederum Präsident Rohani an der Reihe.

Eine Gruppe aus achtzig Abgeordneten des iranischen Parlaments hat eine Petition verfasst, in welcher Präsident Rohani aufgefordert wird, dem Parlament Rechenschaft über seine wirtschaftspolitischen Maßnahmen abzulegen. Einige Parlamentarier haben an Rohani einen Brief geschrieben und ihn ersucht, umgehend sein Kabinett umzubilden. Der Chef der Justiz, Ajehi, hat angekündigt, dass gegen den Bruder des Präsidenten Rohani sowie gegen den Wirtschaftsminister, Djahangiri, Verfahren wegen Korruption anhängig seien.

Die Islamische Republik Iran steht innen- als auch außenpolitisch vor den Trümmern ihrer Politik. Die Frage, unter welchen Bedingungen die iranische Staatsführung bereit wäre, über jene Punkte mit ihrem Erzfeind, den USA, Verhandlungen zu führen, welche von den USA diktiert werden, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht zu beantworten.

Oman als Vermittler

Eines steht jedoch fest: Die Islamische Republik wird mit den USA verhandeln, da es um ihr nacktes Überleben geht und es fast keine anderen Alternativen gibt. Die Reise des iranischen Außenministers Zarif nach Oman und die Reise des omanischen Außenministers, Alawi bin Abdullah, in die USA, welche vor Kurzem stattfand, deuten darauf hin, dass Oman als Vermittler Vorgespräche mit seinem Amtskollegen, Mike Pompeo, über mögliche Verhandlungen zwischen der Islamischen Republik Iran und den USA geführt hat. Alawi bin Abdullah wird in Bälde in Teheran erwartet, um die Ergebnisse seiner Gespräche in Washington zu präsentieren.

Präsident Trump wird wie im Fall von Nordkorea als Geschäftsmann agieren und keine Rücksicht auf die Einhaltung der Menschenrechte sowie die Verwirklichung der demokratischen Prinzipien im Iran nehmen, und somit wird die Hoffnung vieler Iraner, welche unter bestimmten Umständen die Verhandlungen mit den USA als eine Gelegenheit betrachten, den Demokratisierungsprozess im Iran voranzutreiben, zunichte gemacht.

DER AUTOR

E-Mails an:debatte@diepresse.com
Homayoun Alizadeh
(*1952 in Zürich) ist iranischer Abstammung. Er studierte Politik und Rechtswissenschaften an der Universität Wien und absolvierte die Diplomatische Akademie in Wien. Er war mehrere Jahre im Innenministerium im Flüchtlingsbereich tätig und von 1995 bis 2014 leitender Funktionär des UN-Hochkommissärs für Menschenrechte in Afrika, Asien und in Genf. [ Privat]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.08.2018)

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