EU bis OSZE: Österreichs aktive Rolle als Vorsitzland

Gastkommentar. Österreich präsentierte sich 2017 und 2018 gleich mehrfach als Vermittler in Europa. Der große Wurf blieb aber aus.

Österreich hat in den vergangenen zwei Jahren in internationalen Institutionen gleich zweimal den Vorsitz übernommen. Im Jahr 2017 hatte Österreich den Vorsitz in der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) inne, im zweiten Halbjahr 2018 übernahm es den Vorsitz im Rat der Europäischen Union (EU).

Die OSZE ist eine Sicherheitsorganisation, die bemüht ist, Frieden über Kooperation zu erhalten. Im Gegensatz zur Nato ist die OSZE kein militärisches Verteidigungsbündnis, sondern eine politische Organisation von 57 Staaten – darunter die USA, Russland und die europäischen Staaten –, die keineswegs gleich gesinnt sind. Trotzdem ist die OSZE die einzige Organisation, die derzeit in der Ukraine eine internationale Beobachtermission stellt.

Die EU hingegen besteht aus vergleichsweise gleich gesinnten Mitgliedstaaten, die über wirtschaftliche und politische Integration gemeinsame Interessen international durchsetzen. Der EU-Binnenmarkt ist nicht nur der größte Wirtschaftsraum der Welt, die EU an sich ist eines der größten Friedensprojekte der Geschichte.

Aber warum sollte Österreich überhaupt innerhalb multilateraler Organisationen eine aktive Rolle übernehmen? Ist das nicht Geldverschwendung? Sollten wir uns nicht viel eher auf die Entwicklung unserer Wirtschaft, die Sicherung von Arbeitsplätzen, den Erhalt des Sozialstaats, von Recht und Ordnung, oder das Eindämmen von Migrationsströmen kümmern?

Innenpolitik in der Außenpolitik

Fragen wie diese stehen oft im Vordergrund, und eine aktive Außenpolitik sucht man in Österreich meist vergeblich. Die einst vom österreichischen Politikwissenschaftler Helmut Kramer geprägte These der „Innenpolitisierung der österreichischen Außenpolitik“ gilt zum Großteil nach wie vor. Ein Blick auf die Themen des österreichischen OSZE- und EU-Vorsitzes zeigt, dass auch hier innenpolitische Überlegungen eine Rolle spielten.

Eines der wichtigsten Anliegen des OSZE-Vorsitzes war der Kampf gegen Radikalisierung und gewaltsamen Extremismus. Als der damalige Außenminister Sebastian Kurz im Januar 2017 die Prioritäten des Vorsitzes präsentierte, erklärte er: „Wir wissen, dass sich bereits 10.000 Menschen aus dem OSZE-Raum dem IS-Terror angeschlossen haben. Diese Menschen verursachen nicht nur dort unvorstellbares Leid, sondern stellen auch eine erhebliche Gefahr dar, wenn sie in unsere Gesellschaften zurückkehren.“

Das Motto des EU-Vorsitzes im Jahr 2018 war ähnlich gelagert: „Ein Europa, das schützt“ – für Bundeskanzler Kurz bedeutete das die Bekämpfung der illegalen Migration, die Absicherung des Wohlstandes und eine aktive Nachbarschaftspolitik.

In beiden Fällen sollte also das Augenmerk auf den Schutz der eigenen Bevölkerung gelegt werden.

Man brauche eine These, mit der man der heimischen Bevölkerung diese vermeintlich so komplizierten Institutionen und den Vorsitz „verkaufen“ und näherbringen könne. Diese und ähnliche Erklärungen waren bei Nachfrage in den Jahren 2017 und 2018 immer wieder zu hören.

Dabei wären anders gelagerte Erklärungen keineswegs besonders kompliziert. Kleinere Staaten wie Österreich haben nicht dasselbe politische Gewicht wie Supermächte, Regionalmächte oder führende europäische Staaten. Österreich ist auch keine Wirtschaftsmacht. Österreich ist neutral und gehört keinem Verteidigungsbündnis an.

Ein Engagement für Multilateralismus sowie ein Drängen auf ein Handeln der Staatengemeinschaft im Einklang mit dem Völkerrecht sind also nicht nur eine solidarische Fleißaufgabe, sondern reine Interessenwahrung.

Denn ob Frieden oder Krieg in der Ukraine, Stabilität oder Instabilität in (Süd-)Osteuropa, im Kaukasus oder auch in Afrika herrschen, hat unmittelbare Auswirkungen auf Österreich. In der globalisierten Welt kann sich kein Land abschotten.

„Honest broker“ Österreich

Zudem ist der Erhalt der Sicherheit von neutralen Ländern nur dann gewahrt, wenn sich die Staatengemeinschaft an das Völkerrecht hält. Österreich ist durch kein Militärbündnis oder durch atomare Abschreckung geschützt.

Österreich hat dennoch seine Beiträge an internationale Organisationen in den letzten drei Jahren um 2,3 Prozent gekürzt, nämlich von ca. 506 Millionen Euro im Jahr 2017 auf 495 Millionen Euro im Jahr 2019.

Ein aktives, außenpolitisches Engagement macht Österreich jedoch zu einem verlässlichen Partner innerhalb der Staatengemeinschaft. Oft werden neutrale Staaten als „honest broker“ gesehen. Das gelang in einigen Fällen auch in den Vorsitzjahren 2017 und 2018.

So konnten etwa im Konflikt zwischen der abtrünnigen Region Transnistrien und der Republik Moldawien während des OSZE-Vorsitzes konkrete Fortschritte erzielt werden. Der österreichische Spitzendiplomat Martin Sajdik ist zudem als OSZE-Sondergesandter tätig und leitet mit viel Beharrlichkeit die OSZE-Verhandlungen im Ukraine-Konflikt.

Auch während des EU-Vorsitzes im vergangenen Jahr konnten einige Verhandlungserfolge erzielt werden. Der Druck war groß, da es der letzte vollständige Vorsitz vor der EU-Wahl war, die heute in 100 Tagen stattfindet.

Tradition als Ort des Dialogs

Unter österreichischer Führung gelang es, eine richtungsweisende Erklärung der EU zum Kampf gegen Antisemitismus zu verabschieden. In Wien wurde im Dezember 2018 zudem ein hochrangiges Afrika-Europa-Forum abgehalten, an dem 20 afrikanische Staats- und Regierungschefs sowie mehr als 1.000 Unternehmen teilnahmen. Dabei wurden zwei Milliarden Euro für Afrika zugesichert.

Dennoch: Der große Wurf blieb in beiden Fällen aus.

Dabei hat Österreich eine lange Tradition als Ort des Dialogs und der internationalen Vermittlungstätigkeit – eine Tradition, die von Sebastian Kurz wieder aktiv aufgegriffen wurde, als er sich 2015 für das Abhalten der Iran-Gespräche in Wien einsetzte.

Wien ist – dank Bruno Kreisky – zudem Amtssitz vieler internationaler Organisationen. Mittlerweile beherbergt die Stadt mehr als 40 solcher Institutionen. Laut eines Berichtes vom Dezember 2018 des Instituts für Höhere Studien beträgt der jährliche Wertschöpfungseffekt dieser Institutionen in Österreich rund 1,3 Milliarden Euro.

40 Jahre UNO-City in Wien

Die UNO-City feiert heuer ihr 40-Jahr-Jubiläum. Nur wenige Österreicher wissen wirklich um die weltpolitische Bedeutung der Atomenergiebehörde oder des UNO-Büros für Drogen- und Verbrechensbekämpfung Bescheid.

Über eine verbesserte Kommunikation sollte die Wichtigkeit dieser Institutionen und ein aktives österreichisches Engagement darin für die heimische Bevölkerung relevanter gemacht werden.

Zudem sollten die finanziellen Mittel für eine aktive außenpolitische Rolle Österreichs gestärkt werden und somit Interessen und Einfluss besser geltend gemacht werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.02.2019)

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