Darum scheitert die Eurasische Wirtschaftsunion

Die EAWU kommt nicht vom Fleck. Das hat viel mit Russlands Rolle zu tun.

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Dass die Eurasische Wirtschaftsunion (EAWU) sämtliche ökonomischen Erwartungen nicht erfüllt hat, kann nicht nur mit der Wirtschaftskrise Russlands erklärt werden. Die Streitigkeiten unter den fünf Mitgliedsländern, ungenügende Wirtschaftsreformen und Russlands imperialistische Methoden beim Verfolgen seiner geopolitischen Interessen machten die Vision eines prosperierenden eurasischen Binnenmarkts zunichte. Nicht einmal der freie Warenverkehr konnte gedeihen.

Als Gegenentwurf zur EU war die EAWU gedacht, mit einem einheitlichen Wirtschaftsraum ohne Zollgebühren. Doch seit ihrer Gründung im Jänner 2015 hat der Handel zwischen den Mitgliedstaaten abgenommen, das gemeinsame BIP ist gesunken. „Auch die erhoffte Diversifizierung des Handels ist ausgeblieben“, stellt das Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien in Berlin fest. „Immer noch ist Russland innerhalb der EAWU der mit Abstand wichtigste Handelspartner der anderen vier Mitgliedstaaten.“

Weißrussland, Kasachstan, Armenien und Kirgisistan hatten auf mehr Wettbewerbsfähigkeit gehofft, doch der Kreml wollte vor allem den Einfluss der EU und Chinas in den EAWU-Staaten zurückdrängen und den eigenen vergrößern. Da waren die Grundsätze der Union eher sekundär. Ausgerechnet der so wichtige Energiemarkt und der Handel mit Öl und Gas blieben von allen Handelsliberalisierungen in der EAWU ausgenommen. Ein so zentraler Wirtschaftsfaktor ist für den Kreml vor allem ein Machtinstrument, das er lieber nicht an Regeln bindet. Das belegt Russlands angespanntes Verhältnis zu Weißrussland.

Wegen der Preise für Erdöl und Erdgas geraten sich Weißrussland und Russland laufend in die Haare. Fast alle Kohlenwasserstoffe in Belarus stammen von seinem „engsten Verbündeten“, Russland. Das Regime ist komplett von russischen Importen abhängig und genießt traditionell Privilegien. Doch nun erzürnt der Gaspreis Minsk: Russland verlangt von Weißrussland fast doppelt so viel für Gas wie von den russischen Verbrauchern innerhalb der eigenen Grenzen. Damit stellt Moskau seine EAWU-Partner schlechter und benachteiligt sie auf dem Weltmarkt. Dieser Widerspruch zu den Grundsätzen der EAWU bringt Weißrusslands Präsidenten, Alexander Lukaschenko, in Rage: „Wir möchten mit den Russen im gleichen Wirtschafts- und Handelsraum zu den gleichen Bedingungen zusammenarbeiten.“ Wladimir Putin kündigte zwar bis 2025 gemeinsame Märkte für Öl und Gas in der EAWU an, nur bleiben die Fortschritte aus.

Billiges Öl für Weißrussland

Auch über den Ölexport will Moskau seine Machtinteressen gegenüber Belarus durchsetzen. Russland hat Weißrussland stets billiges Öl geliefert. Nun macht Russlands neue Fördersteuer das Öl teurer, auch für Weißrussland. Minsk protestierte. Daraufhin erklärte Moskau, es könne Rabatte nur gegen eine tiefere politische Integration gewähren, was in Minsk Ängste vor einer Angliederung an Russland entfachte. Mittlerweile sucht Lukaschenko sogar das Gespräch zur Nato. Der Kreml ist alarmiert: Das Moskauer Institut für Internationale Beziehungen denkt offen über die Ablöse Lukaschenkos durch einen russlandfreundlichen Nachfolger nach und fordert eine Vorbereitung auf eine Militäraktion in Weißrussland nach dem Vorbild der Intervention auf der Krim.

Lukaschenko sieht die Zukunft der EAWU pessimistisch: „Es gibt zu viele Spannungen und Zwietracht. Die Wirtschaftsunion wird immer stärker politisiert, und das ist absolut inakzeptabel.“ Wenn Großmächte Handelsbeziehungen für imperiale Ziele nutzen, ist der freie Kapitalverkehr nicht realisierbar – und der Friede instabil.

Stefan Beig (Jahrgang 1978) ist Projektmanager beim Austrian Institute of Economics and Social Philosophy (www.austrian-institute.org).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.03.2019)

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