Essay

Brexit: Vielleicht sollten sie besser gehen - Perhaps they'd better go

Peter Kufner
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Großbritannien gefiel sich von Anfang an in seiner EU-Außenseiterrolle und fand irgendwann nicht mehr heraus. In Brüssel wollen mittlerweile viele, dass das Land einfach austritt. Ein Essay in deutscher Übersetzung und im englischen Original.

Gastkommentare und Beiträge von externen Autoren müssen nicht der Meinung der Redaktion entsprechen.



Liebe Leserinnen und Leser, Sie können den Text auch im Original auf Englisch am Ende der deutschen Version ganz unten genießen:

Es war keine schlechte Woche für „Bremainers“, also für Leute, die wollen, dass Großbritannien in der EU bleibt. Weil Frau Mays Austrittsabkommen mit der EU im Unterhaus durchfiel, bleibt die Tür offen für eine zweite Volksabstimmung, eine Rücknahme des Austrittsantrages gemäß Artikel 50 EU-Vertrag oder dafür, einen Austritt auf längere Sicht zu vermasseln.

Anti-Brexiteers sind jetzt wieder voller Hoffnung. EU-Ratspräsident Donald Tusk, ein Pole, hat kürzlich auf diese Möglichkeit hingewiesen: „Wenn kein Austritts-Deal möglich ist und wenn niemand so einen schließen will, wer wird dann den Mut haben, zu sagen, was die einzig positive Lösung ist?“ Aber die Frage ist doch: Würde ein Bremain oder Breturn überhaupt möglich sein? Und würde sich das Land wieder als Mitgliedstaat der EU einfügen können, so, als wäre nichts gewesen? Das ist zweifelhaft.

Jeder, der die britische Politik über die Jahre verfolgte, und jeder, der mitbekommen hat, wie die Briten in Brüssel agierten, weiß, dass das Brexitvotum nicht wirklich überraschend war. Ihm ging ein langer gedanklicher Prozess voraus. Londons politische und administrative Elite hat schon vor vielen Jahren aus der EU ausgecheckt.
Niemand hat diesen geistigen Check-out besser beschrieben als der frühere britische EU-Botschafter Sir Ivan Rogers: „Seit wir 1973 der EU beigetreten sind, haben wir anderen Europäern in Brüssel vor allem Spiegel vorgehalten. Wir liebten diese Rolle. Es hat uns gefallen, denen zu zeigen, was in Europa falsch läuft, und warum und wie man die Dinge besser machen könnte. Dieses Spiegelvorhalten war eines unserer größten Vergnügen. Es ging so weit, dass wir damit nicht mehr aufhören konnten. Und so wurden wir der Spiegel.“

Sir Ivan hat recht: Die Sache mit dem Spiegel ist eine gute Metapher für den langen Weg zum Brexit. Der Ausstieg Großbritanniens wird für die 27 Verbleibenden ein schwerer Verlust sein. Sie werden diesen Spiegel arg vermissen.

Bei offiziellen Diskussionen, informellen Gesprächen oder samstäglichen Abendessen mit Freunden in Brüssel war es oft der Brite am Tisch, der einen bemerkenswerten Kommentar von sich gab, über den die anderen noch tagelang sinnierten. Wirklich: Wenn ein Brite sprach, wurden andere oft still. Sie wussten vermutlich, dass sie Sachen zu hören bekämen, an die sie nicht gedacht hatten. Das war aber nicht, weil die Briten klüger sind, sondern weil sie europäische Themen von einer Außenseiterposition heraus betrachtet haben. Sie sahen so Dinge, die ein Holländer oder Franzose nicht bemerkt haben würde, weil sie einfach von vornhinein in der EU eine ganz andere Position innehatten. So sagte 2012 während einer Debatte im kleinen Rahmen über Populismus ein britischer Kollege: „Ihr Europäer habt Angst vor Globalisierung. Aber es ist doch umgekehrt: Wir fürchten uns nicht vor Globalisierung, sondern wir sind total euroskeptisch“.

Autorin

Caroline de Gruyterist Europa-Korrespondentin und Kolumnistin der niederländischen Tageszeitung „NRC“. Sie verbrachte zehn Jahre in Brüssel und ist derzeit in Oslo im Einsatz.

Caroline de Gruyter is a Europe correspondent and columnist for NRC. She spent 10 years in Brussels and is currently based in Oslo

Anlässlich einer Einschätzung der EU-Nachbarschaftspolitik, also des Umgangs mit Nachbarn im Umfeld Europas, hat ein britischer Teilnehmer in etwa zeitgleich seine Sicht der Dinge einmal so beschrieben: „Wir haben Libyen Kooperation angeboten, sofern sie unsere genderpolitischen Werte akzeptieren. Libyer interessieren sich allerdings nicht für Genderwerte. Also ist unsere Nachbarschaftspolitik gewaltig gescheitert. Sorry, aber wir müssen dieses grandiose, doch naive Programm wegschmeissen und zurück zu klassischer bilateraler Diplomatie kommen."

Einmal war da eine Diskussion über das Europäische Budget. Jeder hat dabei das gesagt, was man eh erwarten konnte. Etwa der Holländer, der gern die Subventionen für die Landwirtschaft kürzen würde, worauf ihm der Franzose natürlich ins Gesicht gesprungen ist, und so fort. Der Kollege von den britischen Inseln aber sagte: „In den Mitgliedsstaaten ist es üblicherweise das Finanzministerium, das als natürliche Bremse auftritt, wenn die Regierung mehr Geld ausgeben will. Das Finanzministerium will immer weniger ausgeben. Leider haben wir so etwas in Europa nicht. Daher übernehmen wir Briten diese Rolle.“

Pro-europäisch, weil es eigentlich anti-europäisch ist

Sprüche wie diese haben sich andere Europäer wohl gemerkt. Es schärfte ihr Denken. Gleichzeitig trug das die Samen des Brexits in sich. Der französische EU-Abgeordnete Louis Bourlanges hat einmal gesagt, dass die Briten „einen Fuß in und einen außerhalb der EU“ hätten. Das war von Anfang an wahr. Der Brexit ist die Formalisierung der britischen Position als Außenseiter. 

Schauen wir uns einmal die EU-Mitgliedschaft Großbritanniens: Schon zu Beginn, in den 1950ern, wollte es nicht der Europäischen Gemeinschaft beitreten, dem Vorgänger der Union. In den 1960ern hat sich das aus zwei Gründen geändert. Erstens, weil die Zölle zwischen den Mitgliedsstaaten fielen. Ihre Wirtschaft wuchs schnell. Großbritannien wollte an dem Wohlstand teilhaben. Zweitens war da die Diskussion über noch mehr Integration, etwa bei Landwirtschaft und Militär. Sie redeten sogar über eine einheitliche Währung!

In London hatte man Angst, dass sich ein mächtiger politischer Block vor der Haustür formieren würde. Wäre es nicht besser, mitzumachen? Als Mitglied könnte man die Pläne der Europäer in die eigene Richtung verbiegen oder gar torpedieren. Deshalb trat Grißbritannien also 1973 bei, nach zwei Vetos von Frankreichs General De Gaulle. Edward Heath, ein Konservativer, war damals Premierminister.

Veranstaltungstipp:

Die Autorin Caroline De Gruyter ist am Dienstag, 19.3., in Wien, sie spricht im Kreisky-Forum mit Tessa Szyszkowitz über „Europa nach dem Brexit“, ab 19 Uhr, Armbrustergasse 1, 1190 Wien. Anmeldung erbeten.

In der britischen TV-Serie „Yes, Minister“ aus den 1980ern nennt der Generaldirektor des Foreign Office regelmäßig dem Minister die zwei Gründe, wieso man der EG beigetreten sei: Aus wirtschaftlichen Vorteilen, und weil man so die politische Integration Europas sabotieren könne. In einer Folge sagt der Generaldirektor zum Minister: „Das Foreign Office ist pro-europäisch, weil es eigentlich anti-europäisch ist.“

Ein Jahr dabei und Neuverhandlungen verlangt

1974, nur ein Jahr nach dem Beitritt, verlangte London schon eine Neuverhandlung. Labour war gerade an die Macht gekommen. Man war dort in der Europafrage gespalten und forderte neue Bedingungen von Brüssel.  So wie 2016 unter Premierminister David Cameron erzielte Großbritannien allerdings wenig. 1975 gab es ein Referendum über die EG-Mitgliedschaft. Es war die erste landesweite Volksabstimmung, und es ging bereits über den Brexit. So wie 2016 kampagnisierten schon damals Teile der Regierung gegen die Mitgliedschaft. Es gab dann aber eine Zweidrittelmehrheit für einen Verbleib. Zur selben Zeit allerdings war vielen Briten die Mitgliedschaft nicht geheuer. „In anderen Ländern waren die Leute stolz, wenn man beitreten konnte“, sagte Botschafter Ivan Rogers einmal. „Für viele von uns rief das aber ein anderes Gefühl hervor: Angst. Und die hat uns seit 1973 im Griff.“

Margaret Thatchers berühmte Rede im belgischen Brügge, 1988, war bereits ein klarer Aufruf für ein weniger politisches, mehr intergouvernmentales Europa. Viele wollen allerdings den „Schwarzen Mittwoch“ als Wendepunkt sehen: Also den 16. September 1992, als die britische Regierung das Pfund Sterling aus dem Europäischen Wechselkurssystem nehmen musste (es gab extreme finanzielle Spekulationen gegen das als überteuert bewertete Pfund, unter anderem durch den Unternehmer George Soros. Das Ergebnis war eine massive Abwertung des Pfunds, ein ökonomischer und nationaler Schock in Großbritannien und Milliardengewinn bei Soros, Anm.). Das stärkte die Stimmen für einen Austritt aus dem Europasystem. Allerdings nahmen das wenige Europäer ernst: Immerhin war Großbritannien doch ein Schwergewicht in der Europäischen Gemeinschaft; für den Binnenmarkt war ein britischer Kommissar zuständig, und Frau Thatcher war es gelungen, den berühmten Rabatt zum Beitrag für den EU-Haushalt herauszuverhandeln. Zudem förderte London ja auch die EU-Erweiterung.

Die meisten Bürger Großbritanniens waren sich dieser Erfolge allerdings unbewusst. Die Medien waren skeptisch. Keine britische Regierung konnte eine positive inländische Debatte über Europa entfachen. Man war sehr gut darin, anderen Spiegel vorzuhalten, aber nicht sich selbst. Der Schwarze Freitag hat deshalb für viele auch das bestätigt, was sie sich still dachten. „Wir bleiben lieber draußen.“

In selben Jahr, 1992, unterschrieb man den Vertrag von Maastricht. Die EG wurde zur EU, mit mehr politischer Ambition und Integration, einschließlich Schengen und des Euros. Großbritannien verweigerte sich und konnte dauerhafte Opting-Outs erreichen. Spätestens jetzt hatte das Land ein anderes Ziel als die anderen. Die einen nahmen den Weg einer „immer engeren Union“, Großbritannien ging in eine andere Richtung. Seither zumindest hat das Land die EU als Ballast gesehen, als andauernde Störung von außen.

In Brüssel hat das jeder bemerkt. London regte sich oft auf, weil man es bezüglich politischer Pläne anderer nicht konsultierte, selbst, wenn sie London egal waren. Man zettelte Schlachten an vielen Fronten an; etwa gegen das Wahlrecht für Strafgefangene, ein Mindestmaß an Mutterschaftsurlaub, den EU-Gerichtshof und Regeln bezüglich des Binnenmarktes. Ein englischer Beamter sagte einmal: „Nach Maastricht begann unsere Entfremdung mit Brüssel.“

Vielleicht hätte Britannien damals öfters in den Spiegel schauen sollen. Kein EU-Land focht härter für die große Erweiterung mit zehn neuen Staaten 2004, doch hat sich später auch kaum jemand wegen einiger Folgen derselben lauter beschwert. London unterstützte die EU-Erweiterung aus zwei Gründen: Um den gemeinsamen Markt zu vergrößern und so den Profit für britische Firmen zu vermehren; und um den Entscheidungsprozess in der EU zu verkomplizieren.

London fiel allerdings in sein eigenes Schwert. Durch die EU-Osterweiterung kamen viele Osteuropäer ins Königreich. Der Unmut deswegen war eine der treibenden Kräfte des Brexit. Als weiteren Effekt hat sich das Zentrum Europas ab 2004 zumindest geografisch weiter nach Osten verschoben, es dürfte irgendwo zwischen München und Wien liegen. Das verschärfte das britische Gefühl der Entfremdung: Großbritannien hängte ab nun am äußeren Rand des Kontinents herum.

In den 2000er-Jahren investierte Großbritannien deutlich weniger Geld und Energie in die EU. So hatte es beispielsweise ein ausgezeichnetes Trainingsprogramm für Funktionsträger in Brüssel gegeben. Briten waren dabei oft besser als andere. Sie kannten ihre Materien, sprachen mehrere Sprachen und wussten sich in Brüssel zurechtzufinden. Viele erlangten Schlüsselpositionen in europäischen Institutionen. Andere Staaten waren neidisch wegen dieses „Europäischen Schnellsiedeprogramms“.

Doch plötzlich hörte es auf. Es hieß, es sei zu teuer geworden. Man erzählt aber auch, dass es außenpolitische Arbeitsgruppen gegeben habe, wo britische Vertreter höchst engagiert, gut vorbereitet und initiativ waren – doch auf einmal habe London nur noch niederrangige Leute geschickt, die hauptsächlich zugehört hätten.

Die ganze Zeit über hielten Briten anderen Europäern ihre Spiegel vor, doch es wurde immer schwieriger, mit ihnen über Europa zu sprechen. Es ging vermehrt nur noch über sie selbst. Die britische Position in Europa wurde das Thema, nicht Europa selbst. Das konnte bisweilen ein richtiger Gesprächskiller werden: Während einer Diskussion über Jobbesetzungen etwa sagte ein Engländer, es sei ihm „wurscht, ob diese Kandidaten im Sumpf oder auf dem Mars“ enden würden. In der folgenden Tirade verwünschte er den europäischen „Friedhof der Beschlüsse“. Den richteten Politiker an, die „viel beschließen, aber wenig tun.“

In der Zwischenzeit erlitten britische EU-Parlamentarier Niederlagen. Ideologie siegte bisweilen über anerkannten britischen Pragmatismus. Der Abschied der Tories von der konservativen Europäischen Parteienfamilie EPP ist ein gutes Beispiel. Es geschah unter David Cameron, 2009, bevor er Premierminister wurde. Die Konservativen bandelten mit einer Randgruppe euroskeptischer Polen und Tschechen mit wenig Gewicht an. Plötzlich machte ein gewisser Nigel Farage Schlagzeilen, der den damaligen EU-Präsidenten, den Belgier Herman Van Rompuy, „Damp Rag“ nannte (in etwa: Waschlappen, nasser Fetzen, Anm.) und Mittagessen mit viel Trinkerei mochte. Gesetzgebung war allerdings nicht seine Stärke.

Das restliche Engagement für Europa wurde von der Eurokrise weggespült.  Das amateurhafte Treiben der meisten Euro-Führer verärgerte London. Britanniens Expertise im Feld der „Haute Finance“ war offenbar unerwünscht – es war doch schließlich eine politische Krise, keine finanzielle, oder? Bei Briefings agierten britische Botschafter und andere Diplomaten, als lebten sie auf dem Mond. Van Rompuy, der viele Krisensitzungen geleitet hat, sagte später, die Briten hätten ihm eigentlich nicht viel Ärger bereitet: „Die waren ja oft nicht einmal Teil der Story.“

London verweigerte etwa die Teilnahme an der Bankenunion und diversen fiskalen Regelwerken, während die meisten Nicht-Euro-Länder mitmachten. Und so schnitten sich die Briten langsam, aber sicher aus dem europäischen Bild.

Vor kurzem erzählte Ex-Botschafter Rogers bei einer Anhörung im Hose of Commons, dass viele seiner Anweisungen, die er seinerzeit erhalten habe, negativ gewesen seien: „Blockiere dies, torpediere das.“ Jetzt aber will Großbritannien ironischerweise bei vielen Projekten teilnehmen, die Rogers seinerzeit zu blockieren hatte: Etwa beim Satellitennavigationssystem Galileo und europäischer Verteidigung.

Die Briten haben die Bankenkrise schneller gelöst als die Euroländer. Britische Kommentare zu Europa waren oft säuerlich und herablassend. Während die Eurozone bestenfalls stagnierte, wuchs Britanniens Wirtschaft. Der einzige Kontinent mit geringerem Wachstum, spottete Brexiteer Boris Johnson einmal, sei die Antarktis. Ein Kommentator meinte, die Briten fühlten sich „an eine Leiche gekettet“. Die fragliche Leiche war natürlich die EU.

Während der Migrationskrise 2015 stand Großbritannien wieder einmal am Rand des Geschehens. Ein Gutteil der Diskussionen hatte mit dem Schengenraum zu tun, wo Großbritannien gar nicht teilnimmt. Als EU-Länder 2015 eine neue europäische Asylpolitik ausverhandelten, kommentierte ein britischer Verhandler süffisant, dass „die Inkontinenz europäischer Institutionen ein Ende haben“ müsse.

Nehmen wir einmal an, das Remain-Lager hätte beim Referendum 2016 gewonnen. Wie lange wäre Großbritannien dann in der EU verblieben, bevor neue Rufe nach einem Brexit gekommen wären? Zwei Jahre? Vielleicht fünf?

Im Übrigen wandelt sich die EU angesichts eines weltweiten geopolitischen Umbruchs von einer technokratischen Organisation hin zu einer politischen. Sie dient immer öfter als Schutzraum für Mitgliedsländer, die globale Stürme gemeinsam aussitzen möchten. Sogar relativ euroskeptische Staaten sehen ihre Zukunft verstärkt in diesem Block. Das ist eine ziemliche Evolution weg von der reinen Transaktions-Organisation, die die EU für Großbritannien gern sein würde. In Brüssel gibt es viele, die stillschweigend denken, dass es vermutlich besser wäre, wenn England jetzt gehen würde.

Im Moment sehen die meisten Briten die EU durch ein nationales Prisma. Diskussionen über die EU entgleisen oft binnen Minuten zu Diskussionen über den Brexit. Die Amtsträger in London sind in Europafragen weniger gebildet als früher. Viele Beamte, die sich in Brüssel auskennen und dort Kontakte haben, wurden an den Rand gedrängt.

Parlamentarier befürworten „Lösungen“, die politisch oder juristisch unmöglich sind. Premierministerin Theresa May, im Herzen ein Remainer, baute ihre anfängliche Brexit-Strategie auf einer falschen Annahme auf: Sie glaubte, sie könne die Tür zur EU hinter sich schließen und sich es dann von außen aussuchen, in welchen Programmen sie weiter teilnehmen möchte. Frau May war Innenministerin, als die europäische Kooperation in Justizfragen begann. Sie hat es abgelehnt, mitzumachen – wieder ein Brexit-Signal. Doch wenig später hat sie von außen her beschlossen, doch da und dort mitzumachen, etwa beim europäischen Haftbefehl.

Die Premierministerin dachte wohl, dass die ganze EU so funktioniere: Dass man dort weggehen und sich danach teilweise wieder einklinken kann. Sie hat das schon einmal so gemacht und wollte das auch mit dem Brexit so tun. Sie dachte allerdings nicht daran, dass der Entscheidungsprozess in Fragen der Justiz und Innenpolitik ein anderer ist als jener etwa für den Binnenmarkt. Der ist nämlich nicht intergouvernmental, sondern von EU-Regeln beherrscht. Der Entscheidungsprozess ist ein ganz anderer. Man kann dort nicht nach Lust und Laune die Rosinen aus dem Kuchen picken und gleichzeitig unerwünschte EU-Regeln in den Papierkorb werfen. Das würde den einheitlichen Markt untergraben. Es hat eine Zeit gedauert, bis es May dämmerte, dass Britanniens nordische Freunde auf dem Kontinent genau deshalb ihre Vorschläge ablehnten.

Botschafter Rogers, ein wahrhaftiger Genießer Brüssels, versuchte, sie zu warnen. Er riet zu einem Kurswechsel. Sie hörte nicht zu. Also trat Rogers im Dezember 2016 zurück, sechs Monate nach der Brexit-Abstimmung.

Er ist mittlerweile ein gefragter Mann als Vortragender zum Thema Brexit an britischen Universitäten und anderen Einrichtungen. Es ist im Hinblick auf die lange und traurige Brexit-Saga irgendwie vielsagend, dass er seinen Spiegel nicht mehr anderen Europäern vorhält, sondern seinen eigenen Landsleuten.

Übersetzung von Wolfgang Greber. 

Mehr Informationen: Der Text erschien vergangenen Freitag in der niederländischen Zeitung „NRC“. Die erwähnte Rede von Margaret Thatcher finden Sie hier und als Video auf YouTube hier.

Perhaps they’d better go

The United Kingdom always had one leg in the EU and one outside. That served a purpose: they saw things that the Dutch or French wouldn’t notice, Caroline de Gruyter writes. But they couldn’t get out of that outsider role anymore. Now many in Brussels want them to go.

This is not a bad week for Bremainers. With Mrs May’s withdrawal agreement with the EU voted down in the House of Commons, the door remains open to a second referendum, a cancellation of Article 50, or simply a prolonged failure to exit. Anti-Brexiteers in the United Kingdom and other European countries are full of hope again. European President Donald Tusk has already alluded to this possibility recently: „If No Deal is possible, and nobody wants a Do Deal, who will have the courage to say what the only positive solution is?”

But the question arises: would a Bremain, or a Breturn as some call it, be possible? Would the UK be able to function as an EU member state, once again, as if nothing happened?

This is doubtful.

Anyone who has followed British politics and policies in Europe over the years, and anyone who has seen the British operating in Brussels over a long time, knows that the Brexit vote wasn’t exactly a surprise. It was preceded by a long, mental process. London’s political and administrative elite has been checking out of the EU for many years.

No one has articulated this mental ‘check-out’ better than the former British ambassador to the EU, Sir Ivan Rogers. He once said: „Since we joined the EU in 1973, we have held up mirrors to other Europeans in Brussels. We loved that role. We loved showing them what went wrong in Europe and why, and how things could be done differently. Holding up the mirror was one of our great pleasures. So much so, that we couldn’t get out of that role anymore. We became the mirror.”

Sir Ivan is right: the mirror function is a good metaphor for the long road to Brexit. The UK’s departure will be a big loss for the 27 remaining countries. They will miss that mirror badly. At official discussions, informal exchanges or Saturday dinners in Brussels with friends - it was often the British at the table who came up with that one striking comment that the others chewed on afterwards for days. When a Briton spoke, others often became quiet. They knew they’d probably hear things they themselves had not thought of. This is not because the British are smarter, but because they looked at European issues as outsiders. They saw things that the Dutch or French wouldn’t notice because they had a different position in the EU right from the start.

For example, during a discussion about populism in a small group of Europeans in 2012, a British participant said: „You Europeans are afraid of globalization. With us it’s the other way round: we are not afraid of globalization, we’re deeply Eurosceptic.”

During an evaluation of the 'Neighborhood Policy' - the EU policy for neighboring countries – at around the same time, a British participant bluntly offered this view: „We offered Libya cooperation if they accepted our gender values. But Libyans are not interested in gender values. So our policy failed. The Neighborhood Policy is a big disaster. We must bin this grandiose, naive program and go back to classic bilateral diplomacy.”

And once, during a conversation about the European budget, when everyone said predictable things - a Dutch participant wanted to trim agricultural subsidies, which of course the Frenchman opposed, etc - their British colleague said: „In the member states the Ministry of Finance always acts as a natural brake if the government wants to spend more money. The Finance Ministry always wants to spend less. Regrettably in Europe we do not have such an institution. So, we British take up that role.”

Such remarks kept other Europeans on their toes. It sharpened their thinking. At the same time, however, this already carried the seeds of Brexit. Former French MEP Jean-Louis Bourlanges once said that the British „have one leg inside the EU and one outside”. That has been true from the beginning. Brexit is the formalization of the British position as an outsider.

Take EU membership itself. Initially, in the 1950s, the UK did not want to join the European Community (the EU’s predecessor). This changed during the sixties, for two reasons. First, customs tariffs between Member States were abolished. Their economies grew fast. The UK, doing less well, wanted to share in this prosperity. Second, Member States were already discussing more integration, for instance in agriculture and defense. They even talked about a single currency already. London feared a powerful political block would emerge at its doorstep. Wouldn’t it be better, then, to join? As a member one could, after all, bend European plans in one’s own direction, or even torpedo them. That is why the UK, after two vetoes from General De Gaulle, finally joined in 1973. Edward Heath, a conservative, was prime minister.

In the British TV series Yes Minister, from the early 1980s, the director-general of the Foreign Office regularly reminds his minister of the two main reasons why the UK joined the EC: economic benefit; and the possibility to sabotage European political integration. In one episode, the director-general explains to the minister: „The Foreign Office is pro-Europe, because it is actually anti-Europe.”

In 1974, just one year after joining, London already demanded a renegotiation. Labour had come to power. It was divided over membership, and wanted new conditions from Brussels. Just like in 2016 under Prime Minister Cameron, the UK achieved little. In 1975 a referendum was held about membership. So, the first-ever national referendum was already about Brexit. And, again like in 2016, part of the government campaigned against membership. But a two-thirds majority of the population voted to remain.

At the same time, many British felt uneasy with membership. „In other countries people were happy to join. They felt proud”, former Ambassador Ivan Rogers once said. „But for many of us, accession provoked a different sentiment: fear. This has gripped us since 1973.”

Margaret Thatcher's famous speech in Bruges in 1988 was already a clear call for a less political, more intergovernmental Europe. But many would rather see ‘Black Wednesday’ as the real turning point. Then, in September 1992, when the British government had to withdraw the pound sterling from the European Exchange Rate Mechanism. This gave the British economy an instant boost, and lead to renewed pleas for a British exit. Few Europeans took this seriously. After all, the UK was a heavyweight in the European Community. The internal market was shaped by a British Commissioner. Mrs. Thatcher had managed to lower the British contribution to the European budget - the famous rebate. She had also put further expansion of the EEC prominently on the agenda.

Most British citizens, however, were unaware of these British achievements in Europe. The press was utterly skeptical. No British government ever managed to set up a good, domestic debate on Europe. The UK was very good at holding up mirrors for the rest of Europe, but not for itselve. This is why Black Wednesday confirmed for many what they had already quietly thought for a while: we’re better off outside.

In that same year, 1992, the member states signed the Maastricht Treaty. The EEC became the EU, with more political ambition and integration, including Schengen and the euro. The UK refused to participate, and negotiated permanent opt-outs. From then on, the country had a different destination than the others. They took the route of ‘ever closer union’; the UK went in another direction. Since then, the country has mainly seen the EU as dead weight and as an unstoppable, outside interference.

In Brussels, everybody took notice. London often complained that it wasn’t consulted on the others’ political plans, even if it wanted nothing to do with it. It started battles on many fronts – against voting rights for prisoners, a minimum maternity leave, the Court of Justice, and even against European regulations that arose directly from disputes on the internal market. According to a former British official in Brussels: „After Maastricht our disaffection with Brussels started.”

Perhaps the UK itself should have looked in the mirror more often at that stage. No country fought harder for the big enlargement with ten new member states in 2004 than the UK, for example – yet afterwards no country complained louder about some of the consequences. London pushed enlargement for two reasons: to expand the single market, increasing profits for British companies; and to complicate decision-making in the EU with many more countries at the table.

But London fell in its own sword. After enlargement many Eastern Europeans came to the UK; frustration about this eventually became one of the driving forces behind Brexit. The second effect was that the center of Europe moved further eastward after 2004 - somewhere between Munich and Vienna. This increased the British feeling of alienation: the UK was now dangling on the outer edge of the continent.

In the 2000s the UK noticeably started investing less money and energy in the EU. It had, for instance, an excellent training program preparing officials for postings in Brussels. As a result, British candidates were often better than others. They knew their files, spoke their languages and knew their way in Brussels. Many British obtained key positions at European institutions. Other member states were jealous of this ‘European Fast Stream’ program. But suddenly it was stopped. It was said that it had become too expensive. Stories also did the rounds about foreign policy working groups, where British officials used to be pro-active and well prepared. Suddenly London sent lower-ranked people who spent entire meetings just listening.

All the while, many British continued to hold up mirrors for other Europeans. But it became increasingly hard to discuss Europe with them: they seemed less eager to talk about the common story, focussing on themselves. The British position in Europe became the issue, not Europe itself. At times this could become a conversation killer. Once during a conversation about Spitzenkandidaten a Briton said that he didn’t care „whether those candidates end up in the mud or on Mars”. This was followed by a tirade about the European „conclusions graveyard”, caused by European leaders „who decide a lot but do very little”, adding that this had almost led to Brexit already a few times.

Meanwhile, in the European Parliament British MEPs began to suffer defeats. Ideology sometimes prevailed over the renowned British pragmatism. The departure of the Tories from the conservative European family, the EPP, is a good example. This happened under David Cameron, in 2009, before he became Prime Minister. The Conservatives joined a fringe group of Eurosceptic Poles and Czechs without much political clout. Suddenly much of the news was made by Nigel Farage, who called President Van Rompuy „a damp rag” and liked boozy lunches. Legislation, however, was not one of Farage’s strong points.

The remaining British commitment to the EU was flushed out by the euro crisis. The amateurism of most euro area leaders annoyed London. British expertise of haute finance was unwelcome in Brussels – after all, this was a political crisis, not a financial one. At briefings, British ministers and diplomats sounded as far away as the moon. President Van Rompuy, who chaired many crisis summits, later said that the British were not causing him a lot of trouble: „They were often not even part of the story.” London refused to take part in the European banking union or to subscribe to additional fiscal rules, while most other non-euro countries decided to join.

Thus the British cut themselves out of the European picture, slowly but steadily. Last month former EU Ambassador Ivan Rogers said during a long hearing in the House of Commons that many of the instructions he received from London at the time were negative: block this, torpedo that. Now, ironically, the UK wants to take part in many projects he was ordered to block at the time - Galileo, for example, and European defence.

The British solved the banking crisis faster than euro countries. Often, British comments about Europe became sour and condescending. While the euro zone was stagnant at best, the British economy grew. The only continent with lower growth, sneered Brexiteer Boris Johnson, was Antarctica. And according to Slate the British felt „shackled to a corpse” – the corpse in question, of course, being the EU.

During the migration crisis, in 2015, the UK were at the sidelines again. Much of the discussion focused on Schengen, in which it does not take part. When EU countries renegotiated a European asylum policy in 2015, a British negotiator sourly commented that „the incontinence of European institutions must stop”.

Let us suppose the Remain camp had won the referendum in 2016. How long would the UK have lasted in the EU, before fresh demands for Brexit would resurface? Two years? Five, maybe? Moreover, in the midst of worldwide geopolitical turmoil the EU is changing from a technocratic organization into a more political one. It increasingly functions as a shelter for member states who prefer to sit out global storms together. Even countries who used to be rather eurosceptic increasingly see their future inside the bloc. This is quite an evolution from the transactional organization that the UK would want the EU to be. Many in Brussels are quietly concluding that it is probably better if the UK leaves now.

By now most British only see the EU through a national prism. Discussions about the EU are often derailed within a few minutes to discussions about Brexit. In London officials are less knowledgeable about Europe than before. Many civil servants who know Brussels and have contacts there are sidelined.

MPs advocate „solutions” that are politically or legally impossible. Prime Minister Theresa May, a Remainer, based her initial Brexit strategy on a misconception. She thought she could close the EU door behind her and then, from the outside, choose the programs that she wanted to participate in. Mrs. May was Interior Minister when European Justice cooperation started. She declined to participate - another pre-Brexit signal. But a little later, from the outside, she opted into a few forms of cooperation, such as the European search warrant.

The Prime Minister thought that the entire EU worked like this: that you could get out, and then partially opt yourself in again. She had once done it that way, and intended to do it again with Brexit. She didn’t realize that the decision-making process on Justice and Home Affairs is entirely different than, for instance, the internal market.

The internal market is not intergovernmental but dominated by EU rules. Decision making is also entirely different. Cherry-picking a few programs at leisure while ditching undesirable EU rules was not an option this time. It would have undermined the single market. It took May a while to understand that for this reason Britain’s nordic friends on the Continent objected to her proposals.

Ambassador Rogers, a fine connaisseur of Brussels, tried to warn the Prime Minister. He advised her to change course. She did not listen. As a result Rogers resigned in December 2016, six months after the Brexit vote. He is in high demand nowadays as a keynote speaker on Brexit at British universities and institutions. It is somehow telling about the long and sorry Brexit saga that he is not holding up his mirror for other Europeans any longer, but for his own fellow countrymen.

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