Wir sind die, die nicht auf die Straße gehen

(c) Peter Kufner
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Replik. In der Debatte über die Fridays-for-Future-Streiks wird auf eine Gruppe vergessen: jene, die sich nicht mit der Bewegung identifizieren.

Gastkommentare und Beiträge von externen Autoren müssen nicht der Meinung der Redaktion entsprechen.

Während die Politik darum ringt, wer die Fridays-for-Future-Bewegung am besten vereinnahmen kann, wird ein wichtiger Aspekt außer Acht gelassen: die Jugendlichen, die am Freitag nicht auf der Straße waren. Dabei wird in den vergangenen Tagen nur ein Teil unserer Generation in den Medien projiziert. Natürlich gibt es kritische Stimmen, sie fokussieren sich allerdings eher auf die Anwesenheitspflicht der Schüler, nicht darauf, ob der radikale Änderungswillen wirklich die gesamte Generation Z durchzieht.

Wenn man sich allerdings auf Schulhöfen und in Universitäten umhört, wo sich die Jugendlichen gegen den Streik entschieden haben, tönt es anders. Die meisten fühlen sich übergangen und können sich nicht mit der in den Medien niedergeschriebenen Identität von Greta Thunberg und ihren Anhängern identifizieren. Ein radikaler Systemwechsel, wie zum Beispiel bei der Fridays-for-Future-Demo in Graz propagiert, findet wenig Anklang. Dieser würde nämlich auch die Zukunft vieler junger Menschen unsicher machen. Doch das größte Problem mit der neuen Bewegung ist, dass sie nicht glaubwürdig erscheint. Viele sind entsetzt von den mit Demo-Material vermüllten Arealen, wo kurz zuvor noch für die Rettung der Welt und das Klima protestiert wurde. Es wirkt heuchlerisch, wenn sich in den Social-Media-Profilen vieler Protestierender Urlaubsfotos aus jedem erdenklichen Eck der Welt finden. Am Freitag wird für das Klima protestiert, am Samstag steigt man in den SUV der Eltern und fährt zu McDonald's. Die AktivistInnen müssen ihre eigenen Prinzipien nicht zur Gänze leben, doch wären sie glaubwürdiger, würden sie grundsätzlich konform mit ihren Forderungen leben.

We Don't Want You to Panic!

Doch nicht nur die fehlende Konsequenz, sondern auch die politische Vereinnahmung, die stattfindet, steuert zum Glaubwürdigkeitsverlust bei. Während in Graz Kommunisten die Proteste anführen, sind in Deutschland einige der HauptorganisatorInnen aktive Mitglieder bei den Grünen. Es schreckt viele ab, mit Parteien zu marschieren, mit denen man überhaupt nichts am Hut hat. Gleichzeitig überschlagen sich Ministerien und politische EntscheidungsträgerInnen mit Einladungen für die Aktivisten. Man möchte vielleicht zuhören, sich aber vor allem mit den Gesichtern der „Revolution“ schmücken.

Natürlich muss mehr geschehen, aber „we don't want you to panic“, um Greta Thunbergs berühmtes Zitat umzukehren. Eine gesunde Veränderung geschieht nur in Abstimmung mit allen Entscheidungsträgern. Mit den Sozialpartnern, der Wirtschaft, der heranwachsenden Generation, aber auch mit denjenigen, denen wir die Welt geborgt haben. Wir möchten kein Desaster übernehmen, aber auch keine Radikalwende auf Kosten unserer Zukunft mitmachen. Auch wenn der Satz von Christian Lindner vor Überheblichkeit strotzte, war ein Stück Wahrheit enthalten: Jetzt sind die Profis an der Reihe.

Matthias Arth, 19, studiert Rechtswissenschaften an der Universität Wien.  Er war am Freitag nicht bei der Demo. 

Nachtrag der Vollständigkeit halber: Matthias Arth engagiert sich bei der JVP. In einer früheren Version des Textes entfiel dieser Hinweis fälschlicherweise. Wir bedauern.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.03.2019)

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