„Der ORF muss bluten!“

(c) Peter Kufner
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Bei den aktuellen Verhandlungen zu einem neuen ORF-Gesetz geht es zumindest einigen nicht um eine Reform des öffentlich-rechtlichen Senders, sondern um seine Zerstörung.

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Nein, es ist nicht alles gut im ORF: Personalbestellungen, die ganz offensichtlich mit Parteizentralen abgesprochen sind. Ein politisch besetzter Stiftungsrat. Fragwürdige Programmentscheidungen, die politisch erwünscht sind. Der Einfluss der Politik auf den ORF kommt aus allen Richtungen, von allen Parteien und zu aller Zeit. „Die Parteien interessiert nicht, wie es dem ORF geht, sondern nur, wie es ihnen im ORF geht“, formulierte bereits der legendäre Generalintendant Gerd Bacher.

Allerdings: Wir ORF-Journalistinnen und -Journalisten wehren uns seit Jahren vehement gegen jede Form der politischen Einflussnahme auf unsere Arbeit. Und auch wenn der Generaldirektor einen SPÖ-Funktionär in sein Büro holen will. Wir sind jeden Tag darum bemüht, korrekt zu berichten, unabhängigen Qualitätsjournalismus zu produzieren und die Österreicherinnen und Österreicher bestmöglich zu informieren. Das Publikum dankt uns das mit hohen Quoten bei den Informations-Programmen und den höchsten Vertrauenswerten im Vergleich mit allen anderen Medien in Österreich.

Es geht in der aktuellen Diskussion aber auch gar nicht um eine Reform des ORF. Es geht um nichts weniger als die Zerstörung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Denn Qualitätsjournalismus ist der größte Feind populistischer Politik. Weil komplexe Fragen und einfache Antworten einander meist ausschließen und guter Journalismus für Aufklärung sorgt.

„Rot(z)funk“ & „Zwangsgebühr“

„Der ORF muss bluten!“ – so der kolportierte Kampfruf der FPÖ in den aktuellen Verhandlungen zum neuen ORF-Gesetz. Das ist nicht verwunderlich, hat doch die Partei den ORF zum Feindbild erklärt. In FPÖ-nahen Medien wird seit vielen Jahren gegen den „Rot(z)funk“ und seine „Zwangsgebühren“ polemisiert. Das verfängt bei den FPÖ-Anhängern, in keiner anderen Partei ist die Ablehnung des ORF so groß. Selbst vor persönlichen Angriffen gegen Journalistinnen und Journalisten wird nicht mehr Halt gemacht, bis hin zum öffentlichen Verlangen nach ihrer Ablöse, wie folgende Beispiele zeigen:

• FPÖ-Mediensprecher Hans-Jörg Jenewein kritisiert „ungeheuerliche“ Interviewführung und verlangt die „personelle Neuausrichtung“ nach einer „Report“-Sendung.

• Infrastruktur-Minister Norbert Hofer ärgert sich über einen ZiB1-Beitrag, in dem er nicht erwähnt wurde und reagiert via Twitter: „Ob ich für Zwangsgebühren bin? Nein!“

• Vizekanzler Heinz-Christian Strache postet auf seiner Facebook-Seite: „Es gibt einen Ort, an dem Lügen zu Nachrichten werden. Das ist der ORF.“ – daneben ein Foto von Armin Wolf.

• Der frühere FPÖ-Chef Norbert Steger kritisiert als ORF-Stiftungsrat „unbotmäßige“ Interviewfragen, fordert die Entlassung von ORF-Journalisten, die gegen Social-Media-Richtlinien verstoßen und will ein Drittel der Korrespondenten-Stellen streichen, weil ihm die Ungarn-Berichterstattung „zu einseitig“ war. Trotzdem wird Steger mit großer Mehrheit zum Stiftungsrats-Vorsitzenden gewählt.
• Der oberösterreichische FPÖ-Landesrat Elmar Podgorschek sagt bei einer AfD-Veranstaltung in Deutschland: „Was wir unbedingt durchführen müssen, ist eine Neutralisierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Auch auf die Gefahr hin, dass uns eine sogenannte Orbanisierung vorgeworfen wird.“

Und genau das will die FPÖ jetzt konsequenterweise durchsetzen: Die „Neutralisierung“ des ORF. FPÖ-Chef Strache sagt in einem Interview mit der „Tiroler Tageszeitung“, er hege Sympathien für die Rundfunkreform in Dänemark. Dort wird der ehemals erfolgreiche öffentlich-rechtliche Rundfunk auf Wunsch der rechtspopulistischen Volkspartei seit Kurzem statt aus Gebühren aus dem Staatsbudget finanziert und bekommt deutlich weniger Geld: Mehrere Sender mussten geschlossen werden, Hunderte Mitarbeiter haben ihre Arbeit verloren.

Das dänische Modell auf Österreich umgelegt, bedeutet aber nicht weniger als den Anfang vom Ende für das wichtigste Medium Österreichs. Die Bürger ersparen sich zwar die GIS-Gebühr – aber nur auf den ersten Blick. Die Finanzierung aus dem Staatsbudget würde trotzdem vom Steuerzahler kommen. Mit dem Nebeneffekt für die Regierungsparteien: der ORF hinge noch stärker an ihrem Gängelband. Selbst wenn es vorerst nicht zur Finanzierung des ORF aus dem Staatsbudget kommt, wird die FPÖ versuchen, die ORF-Gebühren deutlich zu senken. Der Verlust von 100 bis 200 Millionen Euro wird aber nicht ohne deutliche Einschränkungen des aktuellen Angebotes gehen. Aber auch das wird der FPÖ ganz recht sein. Denn irgendwann ist der ORF kaputt gespart.

Wie aber würde die mediale Landschaft in Österreich ohne den ORF aussehen? „Kronen Zeitung“, „Heute“ und „Österreich“ wären die reichweitenstärksten Medien im Land – unter Kontrolle der beiden Verleger-Familien Dichand und Fellner. Und vielleicht des Immobilien-Investors René Benko. Dass es auch hier Interessen gibt, Publikum und Werbegelder vom ORF zu übernehmen ist nachvollziehbar (und täglich in der kampagnenartigen Berichterstattung von „Österreich“ nachzulesen).

Der häufig gehörte Ruf nach einer „Privatisierung“ des ORF – oder einzelner Sender – ist ebenfalls mit einem Bacher-Zitat zu beantworten: „Der ORF braucht Geld um Programm zu machen, die Privaten brauchen Programm, um Geld zu machen.“ Natürlich wollen private Medien Geld verdienen. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hingegen finanziert mit dem Geld der Gebührenzahler auch Programme, die sich – zumindest finanziell – nicht rechnen. Allerdings bedeutet die vollständige Privatisierung von Medien, dass es viele Bereiche, die nur Geld kosten und wenig Publikum bringen, einfach nicht mehr geben wird: Barrierefreie Zugänge zu Informations- und Unterhaltungssendungen, Kultur-Programme wie Opern-Übertragungen, Korrespondenten-Büros in aller Welt, Randsportarten, bis hin zur Filmförderung – das alles würde in Zukunft wohl kaum mehr eine Plattform bekommen, weil zu teuer.

Der ORF gehört allen

Statt über die Zerstörung des wichtigsten Mediums des Landes nachzudenken, wäre es viel wichtiger über seine Zukunft zu diskutieren: Wofür braucht es einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk in den nächsten Jahren? Was ist der gesellschaftliche Auftrag, den der ORF erfüllen kann und muss? Wie können wir die Unabhängigkeit der Redaktionen stärken? Wie schaffen wir es, die Parteipolitik zurückzudrängen und das Unternehmen fit für die Zukunft aufzustellen? Welche Form von Bürgerbeteiligung kann es für die Aufsichtsorgane des öffentlichen Rundfunks geben, damit dort nicht vor allem die Parteipolitik das Sagen hat?

Der ORF gehört den Österreicherinnen und Österreichern. Und nicht der Politik. Auch wenn man in der Diskussion um den ORF einen anderen Eindruck bekommen könnte.

Der Autor

E-Mails an:debatte@diepresse.comDieter Bornemann, M.A. (*1967), ist Vorsitzender des ORF-Redakteursrates, stv. Leiter der „ZiB-Wirtschaft“ und Moderator der Sendung „Eco“. Vor seinem Engagement beim ORF war er Wirtschaftsredakteur der „Presse“. [ Karl Schöndorfer/picturedesk.com ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.03.2019)

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