„Kulturkampf um den Ethikunterricht“ – echt jetzt?

Replik. Was man bei Winklers Thesen vermisst, ist das echte Selbstbewusstsein eines Christen.

Gastkommentare und Beiträge von externen Autoren müssen nicht der Meinung der Redaktion entsprechen.

Beim Lesen von Hans Winklers Kommentar „Versteckter Kulturkampf um den Ethikunterricht“ („Die Presse“, Di, 9. 4.) wird man zwangsläufig an eine Szene aus Monty Pythons „Das Leben des Brian“ erinnert. In einem fast menschenleeren Amphitheater sitzt eine Gruppe selbstgerechter Protagonisten – es ist die selbst proklamierte „Volksfront von Judäa“ – und schwelgt inder eigenen Überzeugung. Einem einsam, fernab sitzenden Mann – er verkörpert die „Populäre Front“ – schleudern sie anschließend lauthals „Spalter!“ entgegen.

Es wäre müßig, den Kommentar Winklers – faktisch – Satz für Satz zu entkräften. Auffällig ist dennoch, dass hier ein plumper Versuch unternommen wird, „die anderen“ für etwas, was der eigene Verein angezettelt hat, anzupatzen. „Er hat angefangen!“ ist ja ein Satz, den jede Mutter und jeder Vater kennt. Und wenn immer dieser Satz ertönt, ist Skepsis angesagt.

In seinem verzweifelt anmutenden Bestreben, einen zivilen Ersatzdienst für Religionsverweigerer in der Schule zu rechtfertigen, hat Winkler fast nichts ausgelassen: von einer persönlichen Fast-Diffamierung der Initiatoren des Volksbegehrens „Ethik für alle“ bis zur apodiktischen Behauptung, dass der Religionsunterricht ohnehin besser sei als ein noch so guter Ethikunterricht. Dass das Konkordat abermals herhalten musste, um ein endgültiges Ende der Debatte über das „Ethik für alle“-Modell zu bewirken, versteht sich fast von selbst, egal wie haltlos das ist. Herr Winkler hätte sich allerdings sämtliche Konstruktionen und Unterstellungen ersparen und im Rahmen seiner Motivforschung Bildungsminister Faßmann zitieren können, der klar und deutlich erklärt hat, weshalb er den Ethikunterricht in seiner diskriminierenden Form einführen will. Dieser Ersatzpflichtgegenstand für das Pflichtfach Religion, von dem man sich allerdings abmelden kann (Willkommen in Österreich!) soll primär – so ein Bildungsminister der Republik (!) – „Abmeldungen vom Religionsunterricht verhindern“ und für Kinder, die mit Religion nichts zu tun haben (wollen), als transzendenter „Appetitanreger“ dienen. Immerhin: für seine Ehrlichkeit gehört Faßmann gelobt.

Was man bei Winklers Kommentar vermisst, ist ein echtes – also ein nicht ausschließlich politisch motiviertes – Selbstbewusstsein eines Christen. Das ist verwunderlich, denn Winkler – und diese Information verheimlicht „Die Presse“ dem Leser, der lediglich auf den journalistischen Background des Autors hingewiesen wird – hat ein besonderes Näheverhältnis zur katholischen Kirche. Diejämmerliche Der-Ethikunterricht-für-alle-wird-Religion-verdrängen-Behauptung ist nämlich entlarvend. Wenn Religion tatsächlich so wichtig und sinnstiftend ist, wieso dann diese panische Angst vor einem Ethikunterricht, in dem Kinder über andere Religionen lernen und sich mit Gleich- sowie Andersgesinnten auf Augenhöhe austauschen können?

Mehr Respekt wäre angesagt!

Natürlich ist es erlaubt, sich gegen eine verfassungsrechtlich bedenkliche weltanschauliche Bevormundung in der Schule zu wehren und eine Gegenthese zu einem unsachlichen Regierungsbeschluss in dem Raum zu stellen. Winkler wäre allerdings gut beraten, Unterzeichner des Volksbegehrens nicht ob ihrer „vergeblichen Liebesmüh“ zu verhöhnen; etwas mehr Respekt gegenüber Mitbürgern, die ihre Meinung trotz realpolitischer Chancenlosigkeit zum Ausdruck bringen, ist angesagt. Solch ein Ethos wird ja gerade von der katholischen Kirche bei jeder Gelegenheit hochgehalten.

PS: Als ich „wie das Amen nach dem Gebet“ vor laufender Kamera gesagt habe, war das natürlich ironisch gemeint. Manche haben die Anspielung verstanden, andere kennen keinen Spaß – zumindest nicht, wenn's um Religion geht.

Mag. Eytan Reif ist Sprecher des Vereins Ethik für Alle.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.04.2019)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.