Installateurlehre statt Publizistikstudium?

Die Umsetzung der Klimastrategie braucht ausreichend Fachkräfte zur Umsetzung.

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Etwa ein Jahr ist sie nun alt, die Mission 2030, Österreichs Klima- und Energiestrategie. An ihrer Verwirklichung arbeitet das Nachhaltigkeitsministerium. Derzeit laufen Verhandlungen mit den Bundesländern zu einer „Wärmestrategie“. Eines ist fix: Das Ende der Ölheizung ist nahe, das gilt jetzt einmal für die Neubauten, aber der Altbestand wird folgen. Und dieser ist beträchtlich. Über 600.000 alte Ölheizungsanlagen werden österreichweit in den nächsten Jahrzehnten zu erneuern sein, dazu kommen noch die Erneuerungen und Sanierungen anderer Heizungssysteme (Stichwort „Sanierungsstau“). Energiesparende Heizungs- und Warmwassersysteme im Haushalt machen mehr „leistbares Wohnen“, wie von der Politik angestrebt, erst möglich.

Durch zielgerichtete Förderungen erleichtert eine wachgerüttelte Umwelt- und Klimapolitik den Eigenheimbesitzern den Umtausch. Umsetzen werden das schließlich Handwerkerinnen und Handwerker. Sie machen die Energiewende erst möglich. Heute ist der Installateur des Vertrauens bei Installations- und Wartungsarbeiten im Haushalt sowie bei Notfällen meist rasch verfügbar. Das könnte sich bald ändern. Wir müssen befürchten, dass wir auf Sicht in Mitteleuropa neben dem Mangel an Lehrern, Köchen und Pflegekräften auch auf einen Installateurmangel zusteuern.

Mangel an Lehrern, Köchen...

In den Branchen Sanitär, Heizung und Lüftung existieren österreichweit rund 2500 Arbeitgeberbetriebe. Sie beschäftigen rund 30.900 Arbeitnehmer inklusive 4500 Lehrlinge. Im langfristigen Trend könnten es pro Jahr auch einige hundert mehr sein. In Deutschland gehen die Wirtschaftsforscher von Prognos von einem Branchenbedarf an 20.000 zusätzlichen Arbeitskräften bis 2025 aus, umgelegt auf Österreich wären das etwa ein Zehntel, also rund 2000. Dabei wird das Angebot junger Arbeitskräfte in den kommenden Jahren sinken, während die geburtenstarken Jahrgänge sich in den Ruhestand verabschieden.

Traumjob für Greta Thunberg

Wer hinsichtlich der Berufswahl noch unentschlossene Kinder hat, sollte ihnen also bevorzugt zur Installateurlehre statt zum Publizistikstudium raten. Die Lebensverdienstkurve rechtfertigt das allemal, und Installateure leisten wichtige Beiträge zum Umwelt- und Klimaschutz und zur gesellschaftlichen Weiterentwicklung. Insofern wäre das auch der ideale Beruf für Greta Thunberg und viele Jugendliche, die heute weltweit mit ihr demonstrieren.

Aktuell gibt es österreichweit rund 350 freie Lehrstellen, wenn man an den künftigen Bedarf denkt, sollten noch viel mehr angeboten werden. Das Berufsbild wandelt sich – hin zu mehr technischem Know-how, der Einrichtung digitaler Funktionen sowie sehr anspruchsvoller Beratungstätigkeit der Konsumenten. Geräte, die früher im Keller versteckt wurden, wirken heute noch direkter in den Lebens- und Wohnraum ein.

Ausgelernte Installateure dürfen übrigens laut Bundesinnung eine durchschnittliche Bezahlung zwischen 2135 Euro und 2760 Euro brutto erwarten und können so mit vielen akademischen Berufen gut mithalten. Lehre mit Matura erscheint mir in diesem Berufsfeld aufgrund des technologischen Wandels besonders ausbaufähig und wird besondere Zukunftschancen eröffnen. Und ja, viele Betriebe der Branche haben Nachholbedarf in puncto weiblicher Fachkräfte, hier braucht es mehr Information und Offenheit. Hoffentlich gelingt es uns gemeinsam im „war for talents“, rechtzeitig ausreichend Nachwuchs aufzubauen.

Dr. Martin Hagleitner, MBA, ist Vorstand der Austria Email AG und im Mutterkonzern Groupe Atlantic für die deutschsprachigen Länder sowie ausgewählte Marken zuständig.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.04.2019)

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