Einspruch, Helmut Brandstätter!

Ein angehender Parlamentarier kann nicht darüber entscheiden, welche Politsendungen seine Ehefrau im ORF moderiert.

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Nach dem Nestroy'schen Motto, einmal im Leben ein verfluchter Kerl sein zu wollen, hat der jahrzehntelange Journalist und Medienmanager Helmut Brandstätter am Ende eines erfüllten Berufslebens den Entschluss gefasst, in die Politik zu wechseln. Über die damit verbundenen Konsequenzen für sein persönliches Umfeld hat er dabei offensichtlich nicht lang nachgedacht. Anders ist es nicht zu erklären, warum er jetzt plötzlich beginnt, verbal um sich zu schlagen und hektisch versucht, die ihm dämmernde berufliche Unvereinbarkeit der Tätigkeit seiner Ehefrau mit seiner eigenen künftigen Tätigkeit im Nationalrat kleinzureden.

Seine Frau ist die langjährige ORF-Redakteurin Patricia Pawlicki. Sie präsentiert das wöchentliche Parlamentsmagazin „Hohes Haus“, moderiert regelmäßig die ORF-„Pressestunde“ und leitet seit 2017 die anlassbezogenen „Runden Tische“. Verständlich, dass dieser Umstand Unbehagen auslöst.

Indirekt eine Art Zensur

Helmut Brandstätter, immerhin Nummer zwei auf der Neos-Liste bei der kommenden Nationalratswahl im September und als Inhaber einer „Wildcard“ der prominente Quereinsteiger der Partei, weißt Bedenken in diversen Interviews brüsk von sich. Er sehe da keinerlei Unvereinbarkeit, und überhaupt werde er in der Sendung seiner Frau einfach nicht auftauchen. Punktum. Dass er damit indirekt eine Art von Zensur ankündigt und tatsächlich der Meinung ist, er als Abgeordneter des Nationalrats könne auch gleich noch entscheiden, welche Beiträge im ORF über das Parlamentsgeschehen der kommenden fünf Jahre gesendet würden, ist mehr als bemerkenswert. Der ORF soll also einfach bei seiner Berichterstattung darauf Rücksicht nehmen und seinen öffentlich-rechtlichen Informationsauftrag den persönlichen Interessen des Ehepaares Brandstätter gefälligst unterordnen.

Ironischerweise hat Patricia Pawlicki im Jahr 2007 selbst wegen einer vergleichbaren Konstellation die Moderation des ORF-Parlamentsmagazins erst übertragen bekommen. Die heutige „Im Zentrum“-Moderatorin, Claudia Reiterer, musste wegen ihrer Beziehung zum damaligen Generalsekretär der Grünen, Lothar Lockl, als Moderatorin der Sendung zum Konsumenten- und Servicemagazin „Konkret“ wechseln. Vor diesem Hintergrund ist es auch überraschend, dass sich die ORF-Leitung jetzt so viel Zeit lässt.

Ins ORF-Wespennest gestochen

Aktuell verlautet nämlich aus der Führungsetage, dass „unmittelbar keine Notwenigkeit“ zu Entscheidung bestünde. Dass man mit jedem Tag des Zuwartens die Sache nur schlimmer macht, scheint man in Kauf zu nehmen. Vielleicht fürchtet man aber auch nur, mit dem Abzug von Pawlicki aus politischen Sendungen ins buchstäbliche Wespennest des ORF zu stechen. Es ist nämlich unbestritten, dass das Thema Unvereinbarkeit aufgrund familiärer oder anderer beziehungstechnischer Konstellationen eine der großen internen Baustellen auf dem Küniglberg ist. Doch zurück zum Anlassfall.

Wer 2019 noch glaubt, man könne als Promi-Aushängeschild in den Nationalrat einziehen und die Ehefrau könne weiterhin wie gehabt das wöchentliche Parlamentsmagazin moderieren, als sei nichts geschehen, der hat die politischen Zeichen der Zeit nicht erkannt und sollte statt ins Parlament lieber schleunigst aufs wohlverdiente Altenteil wechseln.

Erstaunlicherweise hört man von den Neos selbst, die Brandstätter immerhin mit großer Mehrheit nominiert haben, zu dem Thema bisher nichts. Inwieweit es ins Konzept der Partei passt, dass ihr künftiger Europasprecher sich selbst (und damit auch seine parlamentarische Gruppierung) freiwillig aus der Parlamentsberichterstattung nehmen will, ist jedoch mehr als fraglich.

Stefan Brocza (* 1967) ist Experte für Europarecht und internationale Beziehungen an der Universität Wien.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.08.2019)

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