Sonst bleibt die Straße Schlachtfeld

Alle Teilnehmer des Straßenverkehrs sollten mehr Rücksicht auf einander nehmen und auf Sicht fahren.
Alle Teilnehmer des Straßenverkehrs sollten mehr Rücksicht auf einander nehmen und auf Sicht fahren. BARBARA GINDL
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Denkanstoß nach dem tragischen Fahrradunfall, bei dem zwei Kinder getötet wurden: Es bedarf keiner neuen Vorschriften, es müssen nur die bestehenden eingehalten und stärker kontrolliert werden.

Der Unfall mit zwei kleinen toten Kindern und einer verletzten Mutter ist für sich schon tragisch und traurig genug, weshalb die nunmehr einsetzende Diskussion über Themen wie Tempolimit auf Bundesstraßen ohne Radweg eindeutig am Kern der Sache vorbeigeht.

Der Kern der meisten Unfälle – und so leider auch diesem - liegt in:

- mangelnder Anpassung der Fahrgeschwindigkeit (ganz allgemein)
- mangelnder Kindersicherung
- mangelnder Ladungssicherung
- mangelhafter Ausrüstung der Fahrzeuge
- der Ablenkung durch Mobiltelefon etc.
- Alkohol/Drogeneinfluss
- und, in diesem Fall ganz eindrücklich erkennbar, der Missachtung des Grundsatzes "Fahren auf Sicht"

Ich bin derzeit mit meiner zweiten Tochter als Ausbildner im Rahmen der L-17 Führerscheinausbildung unterwegs, bei der man im Fahrtraining vor allem die Aufgabe hat, "für" den Lehrling zu beobachten und zu schauen; die Anzahl der dabei wahrgenommenen Verstöße anderer Verkehrsteilnehmer gegen "Fahren auf Sicht" ist dabei unangefochtener Spitzenreiter (gefolgt von Drängeln und Verstößen gegen Überholverbote).

Gerade die bereits existierende glasklare Regel des § 20 Abs. 1  StVO und der dort festgelegten Anordnung, dass die Fahrgeschwindigkeit (u.a.) den Sichtverhältnissen (!) anzupassen ist, hätte diesen Unfall bereits verhindert, ist die Fahrgeschwindigkeit doch so zu wählen, dass man sein Fahrzeug innerhalb der übersehbaren (bei Nacht: ausgeleuchteten) Strecke zum Stillstand bringen kann – bei Fahren auf halbe Sicht dementsprechend in der halben überschaubaren Strecke.

Denn auch ein unbeleuchtetes Objekt (z.B. ein gestürzter Fußgänger) hätte Opfer werden können, was nur durch Fahren auf Sicht, was wiederum bei Dämmerung oder Nacht bedeutet, dass die Fahrgeschwindigkeit der Reichweite des Abblendlichts anzupassen ist, verhindert werden kann.

Traurig ist, dass in der Führerscheinausbildung so gut wie nie klargemacht wird, was die Fahrgeschwindigkeit in Kilometer pro Stunde umgelegt auf die Sichtweite bedeutet. Würde den Führerschein-Kandidaten beigebracht, dass man die km/h durch Division mit 3,6 (näherungsweise 4) in Meter pro Sekunde umrechnen kann, könnte man die Relation zur Sichtstrecke, dem Brems- bzw. Anhalteweg deutlich einfacher herstellen. Ebenso könnte man dann klarmachen, dass der drei Sekunden dauernde Blick aufs Mobiltelefon bei Autobahntempo 130 km/h einer Wegstrecke von 108,33 Metern entspricht, die man im Blindflug zurücklegt (und man könnte es noch verdeutlichen, indem man darauf hinweist, dass dies grob sechs Fernlastzügen hintereinander entspricht).

Zusammenfassend kann man den hyperventilierenden Forderungen aus verschiedensten Richtungen mit auf den Weg geben:

Es bedarf keiner neuen Vorschriften oder der Verschärfung bestehender Regelungen - es bedarf ausschließlich der eigenverantwortlichen Beachtung der bestehenden gesetzlichen Vorgaben sowie allenfalls klarer Befugnisse für die Polizei, die Einhaltung der Bestimmungen auch kontrollieren zu können - dazu nur ein paar Gedanken:

- es ist unverständlich, warum die durchgehende Section-Control aller Autobahnen und Schnellstraßen nicht schon längst eingeführt ist bzw. die einmal geplante Einführung aus datenschutzrechtlichen Gründen verhindert wurde. Stattdessen wird immer noch punktuell Geschwindigkeit gemessen und das (technisch bedingt) zumeist dort, wo es für die Verkehrssicherheit genau nichts bringt.

- es ist unverständlich, dass die Polizei (meines Wissens) beim Verdacht der Nutzung eines Mobiltelefons während der Fahrt ohne Freisprecheinrichtung das Telefon des Fahrers nicht kontrollieren darf (ob damit in den letzten Fahrminuten telefoniert wurde)

- es ist unverständlich, dass bereits erhältliche (zulässige) Unfalldatenschreiber nicht um eine optische Aufzeichnung ergänzt werden dürfen (auch hier lässt anscheinend der Datenschutz grüßen). Hierbei ginge es einerseits um eine noch bessere Beweisführung in Gerichtsverfahren (wer hat Schuld an einem Unfall, wer ist allenfalls sogar strafbar) aber auch - soweit die Aufzeichnung händisch ausgelöst würde - um die bildliche Dokumentation von Verstößen gegen die StVO durch andere Verkehrsteilnehmer; dabei geht es nicht um „Vernadern“ sondern eine Multiplikation der Augen und Ohren der verkehrserziehenden Überwachung – alternativ kann natürlich auch gerne die Polizei selbst deutlich mehr Präsenz auf der Straße zeigen, was aber wohl an den Kosten scheitern wird.

Wir brauchen mehr Kontrollen

Vor der Schule meiner Töchter kommt es praktisch täglich zu Schulschlusszeiten (also z.B. 13:30) zu tumultartigen Szenen, bei denen Halteverbote, das Verbot des Parkens/Haltens auf Gehsteigen, das Zuparken von Feuerwehrzufahrten (und ich rede hier von Stehenbleiben deutlich über fünf/zehn Minuten) etc. beobachtet werden kann. Die Polizei des zuständigen Wachzimmers wurde von der Direktion der Schule mehrfach auf diese Umstände hingewiesen und gebeten, durch Kontrollen eine Verbesserung der Situation herbeizuführen. Ich überlasse es Ihrer geschätzten Phantasie und Erfahrung als gelerntem ÖsterreicherIn, wie oft die Ordnungshüter vor der Schule tatsächlich kontrolliert haben.

Bevor nicht die unbedingte Beachtung sich schon aus dem vielgepriesenen Hausverstand ergebenden wesentlicher Verkehrsvorschriften einerseits in den Köpfen der Verkehrsteilnehmer ankommt (man könnte ja von der Missachtung derselben einmal selbst von den Folgen betroffen sein – sprich angefahren werden o.ä.) und man die heute technisch möglichen Überwachungsmaßnahmen nicht ergreift, um den ersten Punkt anzumahnen, wird die Straße mehr und mehr zum Schlachtfeld verkommen, das immer wieder hohen Blutzoll fordert.

Dr. Klaus Duschek ist Steuerberater in Ampass, Tirol.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.08.2019)

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