Justiz bringt Turbulenz in den müden Wahlkampf

(c) Peter Kufner
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Ernst und Unernst. Sommerurlauber dämmern im Vorwahlkampf bloß dahin, bis Staatsanwälte den Vorhang zu neuem Polittheater heben.

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11 Es ist ein Freitag und beliebter Zwickeltag, an dem die „Presse“ den Titel der Aufführung verkündet: „Das blaue Unglücksspiel“ (16. 8.). Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschafthält es für möglich, dass führende Freiheitliche im Netz eines politischen Postenschachers, verbunden mit Geldflüssen und Bestechlichkeit, hängen. Das scheint trotz des Fehlens von Beweisen die Lage ruckartig zu verändern.

Kühl diagnostiziert die Zeitung die mögliche Fernwirkung: „Ob die ÖVP unter diesen Umständen eine Neuauflage der türkis-blauen Koalition riskieren würde,bleibt fraglich“, und legt tags darauf ein Schäuferl nach: „Zocker unter sich: Die FPÖ und die Glücksspielbranche“. Ein Kräftemessen auf der Basis von Hausdurchsuchungen und klägerischen Gegenoffensiven ist in die unangenehm harte Phase abgedreht. Die Zeitung liefert bald darauf Handfestes nach, was vielleicht nicht nur der FPÖunangenehm sein wird: „Die Warnung des Personalberaters“– sie liegt schriftlich gegen die Ernennung des FP-Kandidaten Peter Sidlo zum Finanzvorstand der Casinos Austria vor (20. 8.).

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Fast wollte ich jetzt schreiben, dass wir uns am Wahltag in fünf Wochen zurückerinnern werden, wie alles gekommen ist. Das Wort „zurückerinnern“ hat sich seit dem Aufmacherfoto der „Presse am Sonntag“ in meinem Gedächtnis festgesetzt. Der Bildtext lautete: „Die Wahlsalzburgerin aus Japan erinnert sich zurück.“

Das fiel mir als negatives Beispiel für die journalistische Neigung auf, doppelt zu moppeln. Jedes Erinnern geht zurück und niemals voraus. Somit sagt „erinnern“ alles und benötigt kein „zurück“.

Auch hinter folgender Formulierung im Aufmacher über eine drohende Dollarkrise steckt der Trieb, das Gemeinte mit Gürtel und Hosenträger abzusichern: „Der zweite Währungskrieg ist viel längerfristiger“ (7. 8.). Das sind zwei gekoppelte Steigerungen in einem Wort und sogar noch „viel“ als Verstärker.

Ein Mord in Gloggnitz ist offenbar leicht aufzuklären, denn die „Presse“ berichtet: „Der Verdächtige wurde laut Angaben der Exekutive im Bereich des Tatorts, ohne dass dieser Gegenwehr geleistet hätte, festgenommen“ (17.8.). Sollte sich der Tatort wehren?

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Es ist geradezu löblich, dass in der fremdwortbegeisterten „Presse“ einzelne Redakteuredazu aufrufen, der Anglizismen-Manie Einhalt zu gebieten. In einer „Zornespredigt gegen gedankenlose Anglizismen“ schreibt der Autor völlig zu Recht: Es ist „kein großer Aufwand, aus dem ,Hotspot‘ den ,Brennpunkt‘ zu machen, aus dem ,Casting‘ die ,Talentsuche‘ – und besonders übel, aus dem ,Voten‘ das ,Abstimmen‘“ (13. 8.). Ich füge gleich noch Beispiele aus der jüngsten Donnerstagausgabe hinzu: Deal für Abmachung, Absprache, Play-off für Ausscheidungsspiel im Sport, Making-of statt Entstehungsgeschichte eines Films oder des Ibiza-Videos.

Und an anderer Stelle schreibt ein Redakteur: „Es hat sich die Unsitte eingebürgert, dass vor Jahreszahlen die Präposition „in“ gesetzt wird. Ein ziemlich lupenreiner Anglizismus ist das, schließlich ist „in nineteen ninety nine“ korrekt, während „in 1999“ (diesmal auf Deutsch gelesen) einfach nur ein bisschen grauslich klingt“ (12. 8.).

Ob das in bei „in etwa“ auch aus dem Englischen kommt, ist zu bezweifeln. Jedenfalls ist „in etwa“ebenfalls eine künstliche Konstruktion ohne Logik. Sie wäre bequem durch passende Alternativwörter ersetzbar: ungefähr, annähernd.

Wenn sich in Passau eine Schlange von Touristen bildet, so werden Österreicher und Deutsche darunter sein. Und was erzählen sie, wenn sie wieder daheim sind? Die Österreicher: „Wir sind in der Schlange gestanden. Die Deutschen hingegen: „Wir haben in einer Schlange gestanden“. Diese sprachliche Differenz muss in österreichischen Zeitungen wie der „Presse“ erhalten bleiben.

Die „Presse“ berichtet jedoch über CDU-Probleme: „CDU-Chefin AKK geht deutlich forscher (und unvorsichtiger) zu Werke als die erfahrene Kanzlerin. Sie ist in einem permanenten internen Wahlkampf um jenen konservativeren Teil der Partei, der sie nicht gewählt hat. Sie hatte ja nur 35 Stimmen Vorsprung auf ihren Rivalen Friedrich Merz erhalten, der für einen harten Bruch mit der Ära Merkel gestanden hatte (21. 8.). Über die Schwierigkeiten von Kanadas Premier Trudeau schreibt sie: „Meinungsumfragen sehen seine Liberalen und die Konservativen von Andrew Scheer gleichauf, nachdem Scheer zeitweise sogar in Führung gelegen hat (16. 8.).

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In Äthiopien sollen vier Milliarden Bäume angepflanzt werden. Man wolle dem Klima generell Gutes tun, sagt Äthiopiens Landwirtschaftsminister. Erst am Montag seien binnen zwölf Stunden 353 Millionen Bäume von Zehntausenden Helfern gepflanzt worden, berichtet die Zeitung. (31.7.). Es würde sich lohnen, die Angaben des Landwirtschaftsministers nachzurechnen, ehe man solche Angaben druckt. Nehmen wir an, dass sich 50.000 Helfer einschließlich der ausdrücklich erwähnten Kinder beteiligten, so hätte jede Person binnen zwölf Stunden 7060 Bäume gepflanzt. Das klappt nicht einmal unter militärischer Disziplin.Der Zwischentitel „Auch ohne der Halle soll das Nordbahnviertel keine Schlafstadt bleiben“ tut weh (Presse am Sonntag, 11. 8.). „Ohne“ verlangt den Akkusativ.

Phrasen und Modewörter sind nicht nur unschön, sondern oft unsinnig. Die Italiener wollen bei Card Complete einsteigen. „Damit müssten Sie etwa 250 Millionen Euro in die Hand nehmen“ (16. 8.) Müssen sie nicht, sondern das Geld ausgeben oder hinblättern.

Die 24-Stunden-Seite ist eine Fundgruppe für Dubletten. Sie liefert regelmäßig unkoordinierte Doppelmeldungen. „,Game of Thrones-Macher‘ arbeiten künftig für Netflix“ steht im Feuilleton und fast inhaltsgleich ohne Verweis auf Seite 24. (9. 8.). Ähnlich mit „Netrebko sagt Debüt in Bayreuth ab“ auf Seiten 21 und 24. (6. 8.). Auf beiden Seiten macht sie die Absage erschöpfungsbedingt.

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Beamte sind ein heikler Berufszweig, zumal sie auch das Amtsdeutsch erfunden haben. Nähern wir uns also einem „Presse“-Kommentar, in dem festgestellt wird, dass in der Schredder-Affäre der eine zu viel redet, aber andere zu wenig sagen. Das leuchtet ein, hierauf werden die Zu-wenig-Sager identifiziert: „Jene IT-Beamte nämlich,die über die internen Regeln und die gelebte Praxis der Datenentsorgung aufklären könnten“ (31.7.). Der Duden lehrt: der Beamte/ein Beamter; die Beamten/zwei Beamte. Das Österreichische Wörterbuch sagt: der Beamte, ein Beamter, die Beamte. Um „die Beamte“ handelt es sich jedenfalls nicht, weil das Verb eineMehrzahl verlangt. Somitmüsste das Subjektrichtig lauten: „Jene IT-Beamten“ was mit „die Beamten“ übereinstimmt. So einfach ist das mit Beamten in der Grammatik.

DER AUTOR

Dr. Engelbert Washietl ist freier Journalist und Mitbegründer der „Initiative Qualität im Journalismus“ (IQ). Die Spiegelschrift erscheint ohne Einflussnahme der Redaktion in ausschließlicher Verantwortung
des Autors.
Er ist für Hinweise dankbar unter Spiegelschrift@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.08.2019)

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