Replik auf A. Muzicant: Braucht das Land eine Partei wie die FPÖ?

(c) Peter Kufner
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Tenor der Mainstream-Medien ist, die FPÖ als Quell allen Übels abzutun. Tatsächlich sollte sich die am Samstag bestätigte Parteiführung grundlegende Gedanken über eine Neuausrichtung der Partei machen. Weg vom Drang zur Stimmenmaximierung.

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Da erklärt der jugendliche Altbundeskanzler und ÖVP-Chef bei den TV-Duellen im Wahlkampf, dass die Freiheitlichen sich schon grundlegend ändern müssten, wenn sie noch einmal regieren wollten. Und die SPÖ-Vorsitzende verkündet unmissverständlich, dass sie bereit sei, mit allen politischen Kräften zu regieren, nur eben nicht mit diesen Freiheitlichen.

Und der Tenor in den Mainstream-Medien, angefangen vom öffentlich-rechtlichen Staatsfunk über die Tageszeitungen, bis hin zu den immer zahlreicher werdenden Privat-TV-Sendern, ist unisono jener, dass Rechtspopulisten à la FPÖ schlicht und einfach der Quell allen Übels quer durch Europa seien. So argumentierte auch Ariel Muzicant in seinem Gastkommentar in der „Presse“ (17. 9. 2019). Und Österreichs Freiheitliche im Speziellen hätten sich nach dem Skandalvideo von Ibiza überhaupt moralisch völlig diskreditiert. Die Summe der sogenannten Einzelfälle beweise, dass es nicht darum gehe, das Verhältnis der FPÖ zum rechten Rand zu klären, sondern dass diese FPÖ der rechte Rand sei.

Merkwürdig ist nur, dass angesichts dieser Einheits-Ablehnungsfront plus minus 20 Prozent der Wahlbürger der Ansicht sind, dass es diese Partei geben soll, und dass sie bereit sind, ihr die Stimme zu geben. Und selbst der von den Hintermännern als finaler Vernichtungsschlag geplante Ibiza-Skandal hat daran nichts ändern können. Woran das liegt?

20 Prozent latent faschistoid?

Für die politisch korrekten Wortspender ist das klar: Ein Restbereich der Österreicher sei eben latent faschistoid, anfällig für Nazi-Nostalgie, und dazu kämen die Veränderungsverlierer und Querulanten. Das mache dann eben das Wählerpotenzial der FPÖ aus.

Ob es wirklich so einfach ist? Ob man wirklich tendenziell an die zwei Millionen Österreicher als Narren und Nazis diffamieren kann? Wohl kaum. Die Freiheitlichen selbst allerdings, insbesondere die neue Parteiführung, die sich dieser Tage auf dem Bundesparteitag in Graz inthronisieren lässt, sollte sich allerdings schon in intellektueller Redlichkeit die Frage stellen, wo der tiefere Zweck der Existenz der FPÖ liegt und welcher Neuorientierung es bedürfte, um diese Partei zukunftsfähig im Dienste der Republik zu machen.

Aus der alten nationalliberalen Honoratiorenpartei wurde unter Jörg Haider und später unter H.-C. Strache eine rechtspopulistische Mittelpartei. Beide vermochten dieselbe in eine Regierungskoalition zu führen, beide scheiterten damit bekanntlich. Dies wohl kaum, weil freiheitliche Minister schlechter oder unfähiger wären als rote oder schwarze oder moralisch verwerflicher, sondern wohl wegen des massiven medialen Gegenwinds und der denunziatorischen Beobachtung, unter der die FPÖ stets stand. Die Frage, zu welchem Behufe diese Partei existiert und ob sie für das Land nützlich ist, ist deshalb noch nicht beantwortet.

Zweifellos gibt es auf der Basis der historisch gewachsenen drei großen politischen Lager, des ältesten, des nationalliberalen eben, des christlichsozialen und des sozialdemokratischen, nach wie vor einen Bereich in der Bevölkerung, der sich politisch und weltanschaulich weder bei Rot noch bei Schwarz beheimatet fühlt. Da gibt es einerseits Restbestände des alten deutschnationalen Denkens, die sich heute in Form eines deutschen Kulturbewusstseins und einer besonderen Liebe zur deutschen Muttersprache, die ja die Staatssprache der Republik ist, äußern. Dann gibt es die Traditionen des Ordoliberalismus, die für Rechtsstaatlichkeit und Bürgerrechte und auch für marktwirtschaftliches Denken stehen. Und es gibt jene spezielle Heimatverbundenheit, durch die Österreich-Patriotismus mit dem Eintreten für die historisch gewachsene Kultur und Lebensweise des Landes verbunden wird.

Verzicht auf Zuwächse

Solang es diese Bevölkerungsschichten gibt, die dafür stehen, und solang es vitale Probleme gibt, die diese sozialen und kulturellen Besitzstände gefährden, bedarf es, so kann man annehmen, einer Partei wie der FPÖ. Dass die Massenzuwanderung unser gewachsenes Sozialsystem gefährdet und auch das kulturelle Gefüge des Landes infrage stellt, steht außer Streit. Dass die Globalisierung und der EU-Zentralismus sowie der Lobbyismus multinationaler Konzerne ebenfalls eine Bedrohung für unser gewachsenes sozio-politisches Gefüge darstellt, ist auch gewiss. Und dass es überdies durch die über 70 Jahre gewachsene Dominanz des schwarz-roten Proporz verkrustete Machtstrukturen gibt, gegen die es anzukämpfen gilt, wird auch kaum jemand bestreiten. Allein diese Faktoren rechtfertigen die Existenz einer Partei, wie es die FPÖ ist – oder sein müsste.

Die neue Führung der FPÖ wird sich allerdings Gedanken darüber machen müssen, ob sie den Stil der Ära Haider und jenen der Ära Strache einer rechtspopulistischen Partei mit dem Streben nach Stimmenmaximierung auch um den Preis inhaltlicher Beliebigkeit und der Fokussierung auf einen einzelnen, mittels Starkult gepushten Parteichef weiterführen will. Die Alternative wäre eine berechenbare und vernünftige rechtsliberale Partei, die unter Umständen auf allzu große Stimmenzuwächse verzichten müsste, dafür allerdings in wesentlich höherem Maße politik- und regierungsfähig wäre als es bisher der Fall zu sein scheint. Weichenstellungen dieser Art werden aber wohl erst nach dem Parteitag und nach der Nationalratswahl getroffen werden können.

Jenen aber, die in diesen Tagen postulieren, dass diese FPÖ niemals wieder regieren dürfe, weil sie politisch gewissermaßen unzurechnungsfähig sei, sei ins Stammbuch geschrieben: Wer in Österreich regiert, das entscheidet noch immer der Souverän, der Bürger. Und jede demokratisch gewählte Partei, die innerhalb der österreichischen Rechtsordnung zugelassen ist, ist als Teil der parlamentarischen Willensbildung selbstverständlich berechtigt, in den verschiedenen Institutionen mitzuwirken.

Die Versuche, eine solche Gruppierung, die Teil der historisch gewachsenen politischen Landschaft der Republik ist, durch ständige mediale Diffamierung und gezielte Stigmatisierung ihres zivilgesellschaftlichen Umfelds zu diskreditieren, sind allzu durchsichtig. Wenn etwa Ariel Muzicant in der „Presse“ (17. 9. 2019) Mandatare, Funktionäre und Mitarbeiter der FPÖ namentlich – warum nicht gleich mit Wohnadresse? – auflistet als Mitglieder einer der ach so bösen Burschenschaften – die übrigens im Rahmen der österreichischen Rechtsordnung existieren –, darf mit Fug und Recht denunziatorische Absicht vermutet werden.

Und was schließlich die viel zitierten „Einzelfälle“ betrifft, so erweisen sich diese bei näherem Hinsehen zu 90 Prozent als lächerliche Unterstellungen, die gemäß der österreichischen Rechtsordnung auch in keiner Weise geahndet wurden und werden. Dort aber, wo es ernst zu nehmende Vorfälle waren, hat die FPÖ stets rigoros darauf reagiert, zumeist mit Parteiausschlüssen. Aber was auch immer die FPÖ unternimmt, sie bleibt das Ziel der zeitgenössischen Nachlassverwalter des Antifaschismus.

DER AUTOR

Andreas Mölzer (geb. 1952) studierte Rechtswissenschaften, Geschichte, Volkskunde in Graz. Er wird dem deutschnationalen Flügel der FPÖ zugerechnet, er selbst bezeichnet sich als „nationalliberalen Kulturdeutschen“. Von 2004 bis 2014 war er FPÖ-Abgeordneter im Europäischen Parlament. Mölzer ist Herausgeber der Wochenzeitung „Zur Zeit“.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.09.2019)

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