Linke SPÖ, rechtsextreme FPÖ? Ein unsinniges Schema

Es sind eher die traditionell linken Wähler, die sich von nationalistischen und fremdenfeindlichen Parolen angesprochen fühlen.

Darüber ist man sich weitgehend einig: Die FPÖ ist rechts beziehungsweise rechtsextrem, zumindest aber rechtspopulistisch. Die SPÖ hingegen ist links. Wie geht das dann aber zusammen, dass sich bei den Wiener Wahlen eben diese beiden Parteien um den Wähler im Gemeindebau raufen?

Faktum ist, dass die FPÖ schon zu Haiders Zeiten der SPÖ viele Wähler aus dem Arbeitermilieu abspenstig gemacht hat – und dass das Heinz-Christian Strache bei den Wiener Gemeinderatswahlen im Oktober erneut gelungen ist. „Strache räumt SPÖ in Arbeiterbezirken total ab“ titelte ein Boulevardblatt.

Der Wähleraustausch SPÖ-FPÖ

Die FPÖ gewann in Simmering 37 Prozent der Stimmen, in Favoriten und Floridsdorf je 35 Prozent. In den „bürgerlichen“ Bezirken Neubau und Josefstadt (7. und 8. Bezirk) hingegen waren es nur jeweils 14 Prozent.

Die FPÖ ist zweifelsohne in bisherige sozialistische Kernschichten und die Arbeiterschaft eingedrungen. (Es gab schon Umfragen, wonach die FPÖ in der Arbeiterschaft die SPÖ überholt hat; in aktuellen Umfragen wird die SPÖ mit 27 bis 29 Prozent gehandelt, FPÖ und ÖVP mit je 24 bis 25 Prozent.)

Der Wähleraustausch zwischen SPÖ und FPÖ fand und findet statt. Die SPÖ will ihre verlorenen Wähler auch wieder zurückholen. Aber wie geht das, wenn die SPÖ links und die FPÖ rechtsextrem ist? Wählen linke SPÖler auf einmal rechtsextrem und sind die rechtsextrem Ansprechbaren wieder für links gewinnbar?

Um die gleiche Zielgruppe zu umwerben, bedarf es doch wohl einer gewissen Ähnlichkeit der Parteien. Und die ist – auch wenn das manche Sozialdemokraten ebenso wie manche Freiheitlichen nicht wahrhaben wollen – durchaus gegeben. Denn in der Sozial- und Wirtschaftspolitik unterscheiden sich SPÖ und FPÖ nur marginal, manchmal vertritt die FPÖ sogar „linkere“ Positionen. Strache hat sich ja selbst wiederholt als wirtschafts- und sozialpolitisch Linker bezeichnet.

Türken, Serben als Zielgruppen

Auch in der Einwanderungspolitik ist der Unterschied nicht groß. Denn ÖGB, Arbeiterkammer und FPÖ haben in vielem gleiche Ansichten, zum Beispiel, wenn es um Arbeitserlaubnis für Mittelosteuropäer geht. Lediglich in der Asylpolitik unterscheiden sich die beiden Parteien deutlich und in manchen Bereichen der Integrationspolitik.

Für die Wiener SPÖ sind die Türken eine politische Zielgruppe; für die FPÖ hingegen sind es die Serben. Obwohl die Unterschiede in der Ausländerpolitik insgesamt gar nicht so groß sind, vermag sich die FPÖ als die „Schutzpartei“ vor Ausländern und Überfremdung zu profilieren, was die SPÖ mit Rücksicht auf gewichtige Gruppierungen in der Partei nicht kann – und vielleicht auch gar nicht will. Deshalb gewinnt die FPÖ von der SPÖ. Es sind eher linke Wähler, die derzeit nationalistisch ansprechbar sind.

Im rechtsextremen Eck

Warum die FPÖ – zu Recht – immer wieder ins rechtsextreme Eck gestellt wird, hat mit dem Umstand zu tun, dass etliche ihrer Funktionäre Verbindungen zur rechtsextremen Szene haben. Nicht aber ihre Politik. Die FPÖ insgesamt ist keine rechtsextreme Partei, sondern eine populistische linksnationalistische (vielleicht könnte man auch sagen: sozialistisch-nationalistische Partei.)

Demnach bräuchte sich die SPÖ auch nicht davor zu fürchten, sollte sie wieder einen Teil ihrer an die FPÖ verlorenen Wähler zurückgewinnen, sogleich als rechtsextrem eingestuft zu werden.

Hon.-Prof. DDr. Erich Reiter ist Präsident des Internationalen Instituts für Liberale Politik in Wien. Er war Beauftragter für Strategische Studien und Sektionschef im Verteidigungsministerium.


E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.11.2010)

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