Die Europäische Volkspartei muss Konsequenzen ziehen, sonst wird ihr Programm zur Farce.
Darf ein EU-Regierungschef regelmäßig die Werte der Gemeinschaft öffentlich infrage stellen, ohne dass er mit Konsequenzen rechnen muss? Viktor Orbán darf das seit Jahren, denn offenbar haben die EU-Partner aufgehört, den ungarischen Ministerpräsidenten ernst zu nehmen. So dürfte auch sein Kokettieren mit der Todesstrafe ins Archiv politischer Absurditäten eingeordnet werden.
Dass eine solche Äußerung gefährliche Stimmungen erzeugt und verstärkt, dass sie zur Radikalisierung der Gesellschaft beiträgt, die Entwicklung Europas zu einem Raum der Freiheits- und Menschenrechte behindert, wird dabei gern ignoriert. Die Führung der Europäischen Volkspartei, der Orbáns Fidesz angehört, steckt ganz tief ihren Kopf in den Sand. Denn wer die Parteistatuten liest, müsste erkennen, dass der ungarische Regierungschef längst nicht mehr in das christlich-soziale Wertmuster passt. Weder ist seine Äußerung zur Todesstrafe noch sein propagiertes Modell einer „illiberalen Demokratie“ noch die Diskriminierung ausländischer Unternehmen mit der Linie der Parteienfamilie vereinbar. Die EVP bangt um ihre Größe, aber sie sollte um ihre Glaubwürdigkeit bangen– und Konsequenzen ziehen.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.04.2015)