Glaubensfrage

Franziskus hinterlässt Spuren

Wer gehofft hat, Papst Franziskus werde zermürbt durch Widerstände Energie verlieren, wird eines Besseren belehrt.

Wenn das kein Zufall ist: In exakt einer Woche vollendet Papst Franziskus sein 81. Lebensjahr. Dieser Tag fällt genau auf den sogenannten Sonntag Gaudete (Freuet Euch), an dem die Freude im Mittelpunkt der katholischen Liturgie steht – die Vorfreude auf das Geburtstagsfest eines Kindes namens Jesus von Nazareth. Das ist jener Sonntag, an dem im Idealfall die rosa Kerze des Adventkranzes entzündet wird und Priester wie sonst nur ein einziges Mal – später im Kirchenjahr, am vierten Sonntag der Fastenzeit – ebenfalls im Idealfall ein rosa Messgewand anlegen.

Doch zurück zum Papst in den Vatikan: Man kann sich dieser Tage des Eindrucks nicht erwehren, dass Franziskus, je älter er wird, und je länger er als Nachfolger Petri wirkt, das Tempo in seiner Amtsführung sogar noch erhöht. Mittlerweile ist er ungefähr halb so lang Papst, wie es Benedikt bis zu dessen überraschendem Rückzug im Jahr 2013 insgesamt war. Aber Franziskus hat bereits jetzt deutlich mehr Spuren in der katholischen Kirche und der Restwelt hinterlassen, als der gebürtige Deutsche, der heute in einem vatikanischen Kloster lebt, es jemals geschafft hat.

Nun wird bekannt, dass Franziskus hinsichtlich seines mancherorts umstrittenen, jedenfalls bahnbrechenden Schreibens „Amoris laetitia“ (Freude der Liebe) eine von argentinischen Bischöfen abgelieferte Interpretation mit aller Autorität gebilligt und im offiziellen Amtsblatt des Vatikans (Acta Apostolicae Sedis) veröffentlicht hat. Darin wird erklärt, dass in Ausnahmefällen nach gewissen Kriterien Geschiedene, die zivilrechtlich eine weitere Ehe eingegangen sind, die Sakramente empfangen dürfen. Man kann es nicht oft genug festhalten: Genau diese Vorgehensweise war zumindest in großen Teilen der katholischen Welt auch schon vorher geübte Praxis. Der Vatikan hat sie still geduldet und jetzt durch Franziskus genehmigt.

Zuletzt hat der Papst vorläufig „nur“ in theologischen Zirkeln in völlig anderem Zusammenhang für Debatten gesorgt. Er hat es gewagt, Übersetzungen des zentralen Gebets der Christenheit, des Vaterunsers, zu kritisieren. Konkret stößt er sich am Passus „und führe uns nicht in Versuchung“. Seit dem ersten Adventsonntag wird in der französischen Übersetzung stattdessen ein wenig holprig gebetet: „Lass uns nicht in Versuchung eintreten.“ Was den Papst an der deutschen Fassung stört? Ein barmherziger Vater führe niemanden in Versuchung, postuliert er. Nun, die Debatte hat erst begonnen, aber nicht wenige wenden sich dagegen, Worte der Evangelien allzu sehr im Sinne einer vermeintlich gesellschaftlich oder theologisch erwünschten Sichtweise anzupassen. Es kann nicht völlig ausgeschlossen werden, dass auch einmal ein Papst übers Ziel schießt. Noch dazu, wenn er Franziskus heißt.

dietmar.neuwirth@diepresse.co

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.12.2017)

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