Die Rache der Stammtische

Na schau, an Stammtischsettings kann's ja auch gesittet und fast schon andächtig zugehen.
Na schau, an Stammtischsettings kann's ja auch gesittet und fast schon andächtig zugehen.The Simpsons/Pinterest
  • Drucken

In den vergangenen Monaten hat das liebend gern medial transportierte Phänomen wieder zugelegt: das Verspotten der Stammtische. Dort werde vor allem gestänkert, gepöbelt und herumproletisiert, heißt es, da maulten satte Pessimisten und blühten die Ressentiments. Das Niveau sei tief, ja es wehten gar „menschenfeindliche Rülpser" bisweilen. Viele böse, subintellektuelle Menschen dort. Sicher Protestwähler, Neigungsgruppe Trumpel und Co.

Überhaupt: Passt einem irgendjemand oder etwas nicht, unterstelle man einfach „Stammtischniveau": Das macht als Allzweckwertungsknüppel immer einen tollen Tuscher − und es erspart einem zudem meist die Lästigkeit einer inhaltlichen Urteilsbegründung und Debatte.

Jeden Tag gibt es freilich allein in Österreich Zigtausende und mehr − von Phänotyp und Dynamik her − Stammtischsituationen. Also mehr oder minder regelmäßige soziale Zusammenkünfte im kleinen Rahmen von Menschen zwecks Getränken, Plauderei, mitunter Spiel − darunter auch etwa Tante Trudes Tarocktreff, der Proseccoplausch der jungen Mütter, der Juristenumtrunk nach der Nachmittagsvorlesung, der Wein-und-Literatur-Zirkel im Café Gschisti-gschasti, der Absturzabend des Modellflugzeugklubs „Tiefflieger", der sonntagvormittägliche Frühschoppen in zahllosen Gasthäusern vom "Sternbräu" in Rankweil bis zum "Kraxner" in Hatzendorf nahe der Riegersburg, der noch viel häufigere, weil auch werktägliche Après-Büro-Spritzer im vertschickten Beisl ums Eck, etc.

All jene kommunikativen sozialen Ereignisse samt der unschuldigen Tische, die sich net wehren können, sollen geradezu Sümpfe des Dummen und Bösen sein? Echt jetzt??

Tja: Das Pizzicato hat über Jahre hinweg mehrfach gemeint, es sei unklug, beliebige Menschengruppen an Tischen pauschal zu verhöhnen, wo letztlich die Wähler hocken. Die haben dann vorigen Oktober halt leider die Rechnung für solche Ressentiments ausgestellt. Zum Wohl auch![/ironie off]           (wg)

Reaktionen an:wolfgang.greber@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.01.2018)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.