Glosse

Buchstäblich, quasi

Eine New Yorker Bar hat ihren Gästen ein Wort verboten.

Wer hier „literally“ sagt, habe fünf Minuten, um auszutrinken und zu verschwinden, steht in Großbuchstaben auf einem Schild vor dem Continental im East Village: „Es ist das am übermäßigsten gebrauchte, nervigste Wort in der englischen Sprache, und wir werden es nicht dulden.“

Den Barbetreiber stört vermutlich nicht nur der inflationäre Gebrauch des Wortes, sondern auch der meist falsche: Wenn jemand etwa sagt, dass ihn ein Cocktail „literally“, also buchstäblich, vom Hocker haut, sollte der Barkeeper wohl seine Rezeptur überdenken. Und wer erzählt, dass er auf dem Weg ins Lokal „literally“ zu Tode gefroren ist, stellt die Medizin vor ein Rätsel.

Aber deshalb gleich rausgeschmissen werden? Solch regelrecht haarsträubende (!) Maßnahmen würden wohl auch bei uns nachgerade Staub aufwirbeln (!), nimmt doch auch der deutschsprachige Gast oft förmlich Wörter in den Mund (!), die er gar nicht wirklich meint. Und Füllwörter, die man zwar nicht braucht, aber dann halt quasi doch sagt. Wer darüber rabiat wird, hat vielleicht einfach zu tief ins Glas geschaut. Buchstäblich!

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.02.2018)

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