Liebe Facebook-User, werdet erwachsen

Erwin Wodicka - BilderBox.com
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Wann haben Sie das letzte Mal den Anruf eines Marktanalyse-Unternehmens angenommen und alle Fragen zu politischen Einstellungen und Konsumverhalten geduldig beantwort? Wieso tun Sie es dann auf Facebook?

Die kleine, süße Plattform, die in einer Studentenbude in Stanford geschrieben wurde, ist erwachsen geworden. Von Dr. Jekyll zu Mr. Hyde in 14 Jahren. Mit Freunden verbinden, egal über welche Distanz. Das war einmal. Im Idealfall will man wissen, ob der Ex-Freund aus Kindertagen eh nichts Besseres abbekommen hat, oder die dezidierte Erzfeindin aus Schultagen eh richtig hässlich und unglücklich ist. Dazwischen gefallen einem Werbebeiträge, anzügliche Bilder oder gar nervige Katzenvideos und zwischen all dem Sumpf an vernachlässigbaren Statusmeldungen drückt und klickt man ohne Nachdenken alles an, was einen irgendwie anspricht.

Die Kassen klingeln, die Werbetreibenden frohlocken und die Firmen wie Cambridge Analytica reiben sich grinsend die Hände. Immer mehr Geld spült das "soziale" Netzwerk auf die Konten aller Beteiligten. Bereichern sich an unseren Vorlieben, Interessen und Aufregern. Wann haben Sie das letzte Mal den Anruf eines Marktanalyse-Unternehmens angenommen und alle Fragen geduldig - anonym - beantwortet?

Eben.

"Aber das macht ja jeder", heißt es dann oft, oder "Ich hab ja nichts zu verstecken". Aber es macht nun mal nicht jeder. Es gibt durchaus User, die überlegen, was ihnen gefällt und was sie liken und wo sie ihre Meinung dazu abgeben. Weil sie eben genau wissen, dass genau diese Interaktion ein Durchleuchten und Manipulieren erst möglich macht.

Ja, genau dazu ist das Studentenprojekt mutiert. Zu einer Manipulationsmaschine, die die Strippen fest in der Hand hält. Uns User manipuliert und lenkt. Denn gratis ist nichts. Erst recht nicht Facebook. Die Anmeldung ist zwar kostenlos, aber wir bezahlen mit jedem Log-in, Like, Beitrag und Kommentar. Wir entblättern uns digital und bezahlen auch noch dafür. Das Schlimme ist, wir kümmern uns nicht um langfristige Konsequenzen. 

Jetzt bleibt es an den Usern hängen Verantwortung zu übernehmen und nachzudenken, bevor sie etwas teilen oder liken. Zu sagen, das Internet vergisst nicht, wäre profan und einfach. Aber denken Sie daran, wie peinlich es war, wenn die Eltern der neuen Freundin schon beim ersten Kennenlernen die Babyfotos mit den dokumentierten ersten Töpfchen-Versuchen auf den Teetisch knallten. Dieses Gefühl, diese Peinlichkeit sollte man sich vor Augen führen beim nächsten Beitrag. Dann wird das gläserne Digital-Abziehbild mit der Zeit auch immer milchiger.

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