Zum Zehnjahresjubiläum wird gegen die europäische Studienarchitektur demonstriert. Vieles ist falsch gelaufen, aber tot ist sie nicht.
Am Anfang stand eine goldrichtige Idee: Im Europa der offenen Grenzen sollten Studierende nicht durch unterschiedliche Studienordnungen aufgehalten werden. Doch auf dem Weg dorthin sind viele Fehler passiert. Der gravierendste: Man hat das dreigliedrige angelsächsische System gewählt, das in vielen Ländern – so auch in Österreich – nicht wirklich passt.
Der neue „Bachelor“ wurde zum Problemfall: weil er vom Arbeitsmarkt nicht angenommen wird, obwohl die Unis sogar zu viel Stoff hineingepresst haben. Die Studenten haben folgerichtig das Gefühl, im total verschulten Studium ihren Freiraum verloren zu haben. Nicht genug damit: Die internationale Mobilität ist sogar gesunken. Darüber muss man diskutieren, allerdings bitte in zivilisierterem Rahmen als jetzt. Wer, wie die Demonstranten vom gestrigen Donnerstag in Wien, „Fick die Uni, fick den Staat, fick Kapitalismus“ auf die Fahnen schreibt, ist nicht ernst zu nehmen.
Ganz totsagen sollte man den Bologna-Prozess noch nicht: Der Bachelor lässt sich sinnvoller gestalten, und die heimische Akademikerquote wird damit steigen – ein Ziel, das alle eint. Es ist auch in Ordnung, wenn nicht mehr so viele Studienabschlüsse wie bisher zum „Doktor“ führen. Da wird Österreich international schon lange als zu titelsüchtig belächelt. Die neue Studienarchitektur ließe sich retten, und nicht alles an ihr ist schlecht
("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.03.2010)