Stolz und Spreadsheet

Im Streit um die Rechtsstaatlichkeit in Ungarn und Polen prallen Welten aufeinander. In seiner Verteidigungsrede im Plenum des Europaparlaments sprach Ungarns Premierminister, Viktor Orbán, von der Ehre seiner Landsleute, die durch das EU-Verfahren verletzt werde.

Ähnlich argumentieren die Nationalpopulisten in Warschau, wenn es darum geht, ihre Eingriffe in die Gerichtsbarkeit gegenüber Europa zu rechtfertigen.

Dem gegenüber steht die Argumentationslinie der (westeuropäischen) Nettozahler: Es sei nicht einzusehen, dass sie selbst die EU-Spielregeln einzuhalten haben und gleichzeitig Milliardenbeträge dorthin überweisen sollen, wo diese Regeln missachtet werden. Sowohl Ungarn als auch Polen profitieren überdurchschnittlich stark von EU-Geldern.

Wie dieser Konflikt zwischen moralisch begründeter Anspruchshaltung auf der einen und der in einem Spreadsheet abgebildeten Brutto-Netto-Rechnung auf der anderen Seite ausgehen wird, ist nicht abzusehen. Sicher ist jedenfalls, dass der europäische Binnenmarkt auf Dauer nicht funktionieren kann, wenn in seinem östlichen Teil Stolz und Ehre mehr wiegen als Recht und EU-Regeln.

E-Mails an: michael.laczynski@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.09.2018)

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