Migration und das Ende der Geduld

Regierungsparteien in Europa riskieren ihre Glaubwürdigkeit, wenn sie nicht ihren Teil für eine Lösung einbringen.

Ungelöste Probleme sind eine schwere Last. Sie überdecken das Wesentliche, vereinnahmen Energien und führen zur immer tieferen Spaltung. Das kennt jeder aus privaten Beziehungen. In den komplexen politischen Beziehungen ist das nicht anders. Bei kaum einem anderen Thema wird dies so deutlich wie bei der Migration. Laut einer Umfrage der Gesellschaft für Europapolitik sind mittlerweile 36 Prozent der heimischen Bevölkerung der Ansicht, dass der Migrationsproblematik zu viel Raum in der öffentlichen Debatte geschenkt wird. Sie haben durchaus recht.

Über viele Monate haben Parteien in der EU – auch jene der österreichischen Regierungskoalition – ganz bewusst dieses Problem breitgetreten. Doch das ständige Aufkochen hatte den Nebeneffekt, dass sich die Politik selbst unglaubwürdig gemacht hat. Denn wenn Parteien in Regierungsverantwortung ein Problem intensiv benennen, wird erst recht von ihnen eine Lösung erwartet.

Und jetzt wäre es so weit: Wenn die Staats- und Regierungschefs der EU in Salzburg tagen, sollten sie alles daran setzen, das Thema endlich vom Tisch zu bekommen. Sie sollten erstmals der Versuchung widerstehen, sich als Verteidiger nationaler Interessen aufzuspielen, und stattdessen jeder für sich einen Anteil an einer Lösung einbringen. Die deutlich gesunkenen Ankunftszahlen im Süden der EU – im September 2015 waren es 163.500, im September 2018 nur noch rund 12.000 – sollten dabei helfen.

wolfgang.boehm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.09.2018)

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