Papst Franziskus und die Kunst, nicht abzustürzen

Das Oberhaupt der Katholiken hat es nicht leicht. Der Bischof von Rom muss zwischen Vorsichtigen und Ungestümen die katholische Kirche im Gleichgewicht halten.

Das hat er nun davon. Die speziell an seine Mitbrüder im Bischofsamt gerichtete Aufforderung von Papst Franziskus, mutige Vorschläge zu Reformen der katholischen Kirche zu machen, ist weitgehend verhallt. Zumindest im öffentlich wahrnehmbaren Bereich. Was mancher beim Tête-à-Tête einer Privataudienz oder beim Essen im Gästehaus Santa Marta seinem Chef zuflüstert, bleibt unbekannt. Ein Vorarlberger, Altbischof Erwin Kräutler, tut es dann doch in aller Öffentlichkeit.

Dieser Tage kommt ein Buch des seit einem halben Jahrhundert im Amazonas-Gebiet als Priester und Bischof wirkenden Österreichers heraus. „Erneuerung jetzt“ lautet der durchaus selbstbewusste, fordernde Titel. Ob die Vorschläge mutig sind, hängt vom Betrachter ab. Für einen Mann wie Erwin Kräutler, der als Kämpfer um die Rechte der Indios von der Militärpolizei schon einmal verhaftet wurde und später einen Mordanschlag schwer verletzt überlebt hat, werden die Reformideen kaum mutig sein, eher notwendig. Für andere wiederum sind sie nicht mutig, sondern schwer zu-mut-bar.

Welche Erneuerung?

Welche Erneuerung hat nun dieser Erwin Kräutler im Sinn, der bei den Vorbereitungen für die im Oktober angesetzte vatikanische Amazonien-Synode mitgearbeitet hat? Er sieht die Zeit reif für die Weihe verheirateter Männer zu Priestern, für die Zulassung sogenannter viri probati (bewährte Männer). Und, wie der Bischof weiter schreibt: „Ich würde lieber sagen personae probatae (bewährte Personen; Anm.), weil für mich auch die Frauen dazugehören, die zwei Drittel unserer Gemeinden in Amazonien leiten. Ich habe in Anwesenheit des Papstes darauf hingewiesen, dass die Weihe von Diakoninnen in das Schlussdokument hineinkommen müsse.“ Begründet wird dies von Erwin Kräutler in dem bei Tyrolia erscheinenden Buch so: In Amazonien gibt es Tausende Gemeinden, die nur ein bis maximal vier Mal pro Jahr wegen des eklatanten Priestermangels die Möglichkeit zu einer Eucharistiefeier haben.

„... dann stimmt etwas nicht"

Der emeritierte Bischof der flächenmäßig größten brasilianischen Diözese Xingu: „Die Leute haben ein Recht, dass sie sich um den Altar versammeln können. Wenn sie das nur deshalb nicht können, weil kein zölibatärer Mann da ist, der die Weihe erhalten hat, dann stimmt etwas nicht.“

Stimmt, wenn man das trotz mancher ultrakonservativer Querschüsse geltende Verständnis von Kirche, wie es das Zweite Vatikanische Konzil skizziert, ernst nimmt. Die Messfeier wird immerhin „Quelle und Höhepunkt des ganzen christlichen Lebens“ genannt. Wortgottesdienste, so liebevoll die von Laien, natürlich auch Frauen, geleitet sein mögen, sind damit nicht gemeint. Papst Franziskus hat auszutarieren zwischen Veränderungen gegenüber Vorsichtigen und Ungestümen. Aber: Ist es tatsächlich ungestüm, was Bischof Erwin Kräutler anregt und seit vielen Jahren viele andere?

dietmar.neuwirth@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.08.2019)

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