Der „Citoyen“ und der missliebige Kanzler

Alfred J. Noll hatte wieder einmal eine seltsame politische Idee.

Alfred J. Noll ist offensichtlich langweilig. Oder es bereitet ihm größtes Unbehagen, dass Sebastian Kurz wieder Kanzler sein könnte. All dies führt dann zu einem eher seltsamen Demokratieverständnis. Schon zum zweiten Mal versucht er nun, dem Wähler das Heft aus der Hand zu nehmen. Zuerst wollte er die Neuwahl verhindern, um Sebastian Kurz zu verhindern, indem er vorschlug, dass die anderen Parteien einfach ohne ihn weitermachen könnten. Das ist zwar rechtlich und politisch möglich – wie dann später auch die Ausbootung von Matteo Salvini in Italien zeigte –, aber so ganz dem Wählerwillen hätte es wohl nicht entsprochen, wenn nach Ibiza einfach eine rot-blaue Regierung weitergemacht hätte.

Nun wurde es noch ein wenig schräger: Wer per Misstrauensantrag abgewählt wurde, soll nicht mehr unmittelbar auf die Regierungsbank zurückkehren dürfen, schlug Noll vor. Und dehnte dies auch noch auf die folgenden sechs Monate aus. Das hätte zur Folge, dass Koalitionsverhandlungen entsprechend hinausgezögert würden. Oder dass im konkreten Fall einer, der voraussichtlich die Wahl gewinnt, nicht umgehend Kanzler werden darf. Eine Lex Kurz sozusagen.

Auch das kann man rein rechtlich so machen. Und vielleicht – oder sogar ziemlich sicher – bereitet es Noll große Freude, die Möglichkeit eines solchen juristischen Kniffs ausgeheckt zu haben. Realpolitisch ist es freilich Nonsens und riecht nach Revanchismus: Ein Kanzler, der einem nicht passt, soll mit fragwürdigen Methoden verhindert werden.
Vor allem aber: Die Verfassung ist kein Spiel, deren Regeln man leichtfertig je nach polit-taktischen Vorlieben ändert. Noch dazu, da auch der Misstrauensantrag gegen die Regierung Kurz an sich ein solches taktisches Manöver war.

Verhaltensoriginalität gepaart mit Sebastian-Kurz-Aversion – das bleibt vom „Citoyen“ (© „Der Falter“) Alfred J. Noll als Parlamentsabgeordneten.

oliver.pink@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.09.2019)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.