In der Wiener ÖVP gibt es massiven Unmut über die Parteichefin – der Wirtschaftsbund verlangt ultimativ einen Stadtratsposten.
Kein Applaus für Christine Marek: Ihre Ankündigung, aus dem Familienstaatssekretariat in das Wiener Rathaus wechseln zu wollen, stößt bei ihren Partei-„Freunden“ auf geringe Gegenliebe. Warum? Weil die Chefin der kleinsten VP-Landespartei Österreichs (nur noch 14Prozent Wählerzustimmung) ihre Oppositionsarbeit und VP-Aufbauarbeit natürlich nicht als kleine Gemeinderätin, sondern als Klubchefin zu führen gedenkt. Viele, auch hohe Funktionäre der Partei hätten sie zu gerne weiter im fernen Bund gesehen, um ungestört an der Demontage ihrer Frontfrau arbeiten zu können, die für das Wahldesaster am 10.10. verantwortlich gemacht wird.
Der Unmut über sie ist auch groß, weil Marek unvorsichtigerweise schon Wolfgang Gerstl den Posten des nicht amtsführenden Stadtrats versprochen hat. Damit wären alle drei Spitzenfunktionen, die die Kleinpartei überhaupt noch zu vergeben hat, in Händen des ÖAAB. Marek selbst, ihr Landesgeschäftsführer Manfred Hoch, ihr Wunsch-Stadtrat Wolfgang Gerstl und Bundesratsvizepräsident Harald Himmer gehören allesamt dem VP-Arbeitnehmerbund an. Für den Wirtschaftsbund eine Art Kriegserklärung.
Kammerpräsidentin Brigitte Jank drängt nun Marek ultimativ zu einem Rückzieher. Nicht Gerstl, der bei der Wahl aus dem Gemeinderat geflogen ist, soll Stadtrat ohne Portefeuille werden, sondern ein Vertreter des Wirtschaftsbundes. Zuletzt durfte den Titel ohne Mittel Isabella Leeb für den Wirtschaftsbund tragen. Schon werden in Wien aus der ÖVP Gerüchte gestreut, Marek könnte womöglich bei der Wahl zur Klubchefin am Freitag scheitern, sie solle doch ihr Nationalratsmandat annehmen. Diese Variante ist extrem unwahrscheinlich. Marek müsste in diesem Fall auch sofort als Wiener Parteichefin abtreten.
Allein, dass Derartiges in internen Kreisen nicht ausgeschlossen wird, zeigt, wie groß die Verbitterung über Mareks Agieren ist. Ihre Ansage vom Sonntag, sich 100-prozentig Wien widmen zu wollen, wird als gefährliche Drohung gesehen. „Sie hat die Wahl verloren, sie hat den Landesparteisekretär verloren (ihre erste Wahl war Christoph Hörhan; Anm.), sie hat die Sondierungsgespräche verloren und das Staatssekretariat“, sagt ein Funktionär. Gut möglich, dass sich ein weiterer Verlust anschließt: jener ihres Wunsch-Stadtrates.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.11.2010)