Faymann und sein Wahl-Onkel

Nicht der Starrsinn des Hans Dichand bedroht die Demokratie, sondern die Feigheit seiner Mitspieler.

Wenn Werner Faymann mit Hilfe der „Kronen Zeitung“ und ihres Herausgebers Hans Dichand die Wahl am 28. September gewinnt – so lautet eine der gängigen Thesen unter den Auskennern der österreichischen Medienszene –, wird es endgültig niemanden mehr geben, der gegen das auflagenstärkste Blatt der Republik „aufmuckt“. Der eigentliche Regierungschef wäre dann „Onkel Hans“, Wahlneffe Werner Faymann sein institutioneller Statthalter auf dem Ballhausplatz.

Der ÖVP kommt diese Einschätzung sehr zupass, weil es ihr die Möglichkeit gibt, die zu erwartende Wahlniederlage, die in erster Linie einer Wahlkampflinie zu verdanken sein wird, für deren Planer man die Pflegestufe sechs beantragen müsste, dem Herausgeber der „Kronen Zeitung“ in die Schuhe zu schieben. Und den vielen Medienethikern im Land, für die Moral in erster Linie das ist, was sie von den anderen erwarten, bietet sich die Gelegenheit, in Blattsalaten und anderen kalorienarmen Geistesgerichten zu beweisen, dass sie intelligenter und moralisch gefestigter sind als die Damen und Herren, die in der Muthgasse die „Kronen Zeitung“ produzieren. Meistens gelingt ihnen das auch.

Dass ein Massenblatt wie die „Kronen Zeitung“ ohne Scheu vor Widersprüchen immer gerade die Position vertritt, von der sie glaubt, dass sie mehrheitsfähig ist, gehört nicht zu den innersten Geheimnissen der Branche. Dass populistische Politiker dasselbe tun und deshalb die natürlichen Partner der populistischen Massenblätter sind, kann man auch ohne politologische Spezialkenntnisse wissen. Dass eine Zeitung in politischen Auseinandersetzungen klar ihre Präferenzen erkennen lässt, ist ebenfalls ein weltweit bekanntes Phänomen, nicht nur in der Boulevardpresse: Der „Economist“, eines der Flaggschiffe des internationalen Qualitätsjournalimus, deklarierte sich bei den US-Wahlen 2004 „with a heavy heart for Mister Kerry“.


Das Problem ist nicht, dass sich ein Massenblatt nach dem Massengeschmack richtet und ein ideologiefreier Populist nach dem auflagenstärksten Medium. Das Problem ist, dass die beiden damit erfolgreich sind. Das allerdings zur Bedrohung für die österreichische Demokratie zu stilisieren, wäre erstens zu viel der Ehre für die Herren Dichand und Faymann und zweitens eine zu billige Ausrede für alle Politiker und Medienleute, die von sich behaupten, sie wüssten und könnten es besser. Wenn sie nicht dazu in der Lage sind, Mehrheiten für ihre demokratiepolitischen Vorstellungen zu finden, können sie es eben nicht besser.

Nein, was Hans Dichand und Werner Faymann derzeit vorführen, ist keine Bedrohung der Demokratie, es ist nur eine Beleidigung der Intelligenz ihrer Leser und Wähler (sollten sie damit den prognostizierten Erfolg haben, lässt sich allenfalls noch feststellen, dass es nicht sonderlich viel zu beleidigen gab). Und unappetitlich ist es auch, aber unappetitliches Verhalten ist per se weder rechtswidrig noch undemokratisch. Wenn eine Zeitung Informationen verkürzt, verdreht oder unterdrückt, verstößt das gegen die allgemeinen Grundsätze der journalistischen Ethik, aber nicht gegen die Prinzipien der Demokratie.


Will man die Rolle der „Kronen Zeitung“ und das Verhalten der österreichischen Politiker ihr gegenüber ernsthaft diskutieren, sollte man sich nicht in die Abstraktion der Demokratiegefährdung durch Medienmacht flüchten, sondern das konkrete Verhalten konkreter Menschen beim Namen nennen. Den ganzen Mist an Halb- und Unwahrheiten, mit dem die „Krone“ ihre Leser manipuliert, muss ja irgendjemand wider besseres Wissen produzieren. Mindestens so wichtig wie die Frage, ob eine Zeitung in einem Wahlkampf Partei für eine Partei ergreifen darf – natürlich darf sie –, ist die Frage, welche chemischen Substanzen es Claus Pándi, dem Chronik-Chef der „Krone“, der sich auf dem SPÖ-Parteitag als eine Art Buchstaben-Riefenstahl hervortat, ermöglichen, sein tägliches Wirken für Journalismus zu halten.

Nicht der aus dem Altersstarrsinn geborene Kampagnenfuror des Hans Dichand bedroht die österreichische Demokratie, sondern die Feigheit seiner Mitspieler: Journalisten, die etwas werden oder bleiben wollen, produzieren den Schwachsinn, den derjenige von ihnen verlangt, der entscheidet, ob sie etwas werden oder bleiben. Und Politiker, die etwas werden oder bleiben wollen, beten diesen Schwachsinn nach oder reden ihn klein, wie der auffällige samtpfötige ÖVP-„Kronprinz“ Josef Pröll, dem nach einer Wahlniederlage seiner Partei das Vizekanzleramt in der Regierung Dichand/Faymann winkt.


michael.fleischhacker@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.09.2008)

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