Italien braucht ein anständiges Angebot rechts der Mitte

Der Apparatschik Bersani wird Italien nach seinem Wahlsieg kaum aus der Stagnation führen können, aber vermutlich weniger Schaden anrichten als Silvio Berlusconi.

Italien ist anders: Ein Ex-Kommunist gewinnt die Wahl zur Abgeordnetenkammer, und auf den Aktienmärkten geht ein kleines Kursfeuerwerk ab. Den Anlegern war jeder recht, solange nur der unberechenbare Gaukler Silvio Berlusconi nicht an die Macht zurückkehrt. Ob sie und Italien jedoch mit Pier Luigi Bersani, dem Anführer der Sozialdemokraten, auch auf lange Sicht ihre Freude haben werden, ist mehr als fraglich. Selbst wenn er wollte, wird der 61-jährige Apparatschik nicht viel Spielraum haben. Bersani hat zwar angedeutet, den – letztlich halbherzigen – Sanierungskurs des technokratischen Übergangspremiers Mario Monti nicht völlig rückgängig zu machen. Doch die Gewerkschaften und seine Verbündeten am linken Rand werden ihm jeden Ansatz zu tiefer greifenden Reformen abräumen. Was Monti in seinen 14 Monaten im Amt nicht gelungen ist, wird Bersani vermutlich nicht einmal anpacken.

Dennoch ist zu erwarten, dass Italiens künftiger Ministerpräsident (sofern er auch im Senat eine Mehrheit findet) immer noch vernünftiger agieren wird als Silvio Berlusconi. Ganz Europa zitterte vor einem Comeback des Bunga-Bunga-Premiers. Zu Recht: Berlusconi hat seine Unfähigkeit, ein Land zu regieren, mehrmals schmerzlich unter Beweis gestellt. Ihm ist zuzutrauen, Italien und die Eurozone endgültig an die Wand zu fahren. Warum diesem wandelnden Herrenwitz trotzdem rund ein Drittel der Italiener ihre Stimme gegeben hat, wird für Außenstehende nie ganz nachvollziehbar sein. Die Aufholjagd, die Berlusconi dank der Omnipräsenz in seinen Fernsehkanälen in den vergangenen Wochen inszeniert hat, ist schon atemberaubend.

Und das bei einem Konkurrenten wie dem Komiker Beppe Grillo, der es an populistischer Verantwortungslosigkeit inzwischen mit dem alternden Großmeister der geschmacklosen Alleinunterhaltung aufnehmen kann. Fast 20 Prozent der Stimmen fuhr Grillo ein. Zählt man sein und Berlusconis Ergebnis zusammen, ergibt sich eine glatte Mehrheit für Scharlatane und Traumverkäufer. Für Mario Monti, den nüchternen Professor, entschied sich nur jeder zehnte Wähler. Der Technokrat ging im Konzert der Volksverführer unter. Er hatte keine Chance in der polarisierten Konstellation. Denn wer die Rückkehr Berlusconis verhindern wollte, entschied sich im Zweifel doch für Bersani – oder warf die Nerven ganz weg und votierte für Grillo, weil eh schon alles egal ist.

Was sich in Italien abspielt, hat längst die Dimension einer unterhaltsamen Posse gesprengt. Es ist eine Tragödie. Italien bleibt weit unter seinen Möglichkeiten, weil es so schlecht regiert wird. Eine Zeit lang kann das gut gehen, und Italien ging es viele Jahre trotz seiner Politiker gut. Doch auf Dauer rutscht ein Land ab, wenn seine politische Elite versagt. Regierungen können ein Land niederführen, wenn sie nur lange genug ungehindert fuhrwerken; das mit Ressourcen gesegnete Argentinien ist so ein Fall, und auch Italien kann mittlerweile als warnendes Beispiel für den politischen Totalausfall gelten. Seit dem Jahr 2000 stagniert Italiens Wirtschaft praktisch, sie ist in vielen Teilen nicht mehr wettbewerbsfähig. Die öffentliche Verschuldung liegt bei 126 Prozent des BIPs, die Jugendarbeitslosigkeit bei 36 Prozent.

Mit dieser Performance und mit einem Clown wie Berlusconi an der Spitze hat Italien, die drittgrößte Ökonomie der Eurozone, dramatisch an Einfluss in der EU verloren: Das Gründungsmitglied ist an die Peripherie gerutscht. Ein Jammer: Ein Land mit so viel Potenzial und Unternehmergeist hätte sich eine bessere Regierung verdient.

Berlusconi, der stets auf seinen eigenen Vorteil bedacht war, wird als großer Zerstörer und Blockierer in die Geschichte eingehen. Letztlich hat er, trotz seines bemerkenswerten Resultats, auch seiner eigenen Partei geschadet. Wäre Berlusconi nicht angetreten, dann hätte eine Chance bestanden, dass sich rechts der Mitte, unter Einschluss Montis, eine neue koalitionsfähige Kraft formiert, für die sich die Europäische Volkspartei nicht genieren müsste.

Italien braucht ein anständiges Angebot rechts der Mitte mit ökonomischem Sachverstand, eine Alternative zu Bersanis Retro-Linksblock. Solange Berlusconi sein Unwesen treibt, wird es das nicht geben. Armes Italien.

E-Mails an: christian.ultsch@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.02.2013)

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