Die 1990er sind zurück: Große Koalition ohne Alternativen

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Werner Faymann und Michael Spindelegger führen weiterhin ein Rückzugsgefecht, doch nach Ende des politischen Dauerbebens auf deutlich stabilerem Boden.

Dornröschen ist Sonntagabend aufgewacht. Nicht, weil es etwa geküsst worden wäre. Nein, so ungewohnt still war es mit einem Mal. Das Getöse eines ununterbrochenen politischen Erdbebens, das 1986 auf dem Innsbrucker Parteitag der Freiheitlichen mit der Wahl Jörg Haiders ausgelöst worden und seither in Österreich nicht mehr zu überhören war, ist mit einer letzten heftigen Erschütterung mit Epizentrum in Klagenfurt verstummt. Haiders politisches Erbe ist verbraucht. Zu viele haben seit Sonntag den Kärntner Wählern ihren Respekt bekundet. Man könnte auch fragen: Warum erst jetzt?

Wenn man sich den Schlaf aus den Augen reibt, genauer hinschaut, könnte man meinen, die Zeit wurde politisch um mindestens zwanzig Jahre zurückgespult. Nicht nur, weil Erwin Pröll immer noch Landeshauptmann ist und wir seit Ende Jänner sicherheitspolitisch wieder in der Ära Lichal stehen. Das wäre eine zu billige Pointe.

Vieles spricht dafür, dass wir nach dem Ende des Intensivwahljahres 2013 politisch an den Anfang der 1990er katapultiert sein werden. Zwei Großparteien, zwar nachhaltig redimensioniert, aber im Anspruch, Volkspartei zu sein, noch ohne ernsthafte Konkurrenz. Heinz-Christian Strache wird sein Vorhaben, als Dritter auf prozentueller Augenhöhe dazuzustoßen, nicht einlösen können, sondern weiter als politisch Verhaltensauffälliger den Unterricht stören.

Diesmal wird ihm Frank Stronach zu viele Protestwählerstimmen abluchsen können, danach wird es eben jemand anderer sein. Protestwählerstimmen haben einen gasförmigen Aggregatzustand, nachhaltig verfestigen konnte sie nur der politische Alchemist Jörg Haider zu seiner besten Zeit. Ein x-beliebiger Laborassistent im blau-orangen Mantel kann die Versuchsanordnung nicht erfolgreich nachbauen. Auch das eine Lehre vom Sonntag.

Werner Faymann und Michael Spindelegger führen zwar weiterhin ein Rückzugsgefecht, jetzt, da das Beben der Vergangenheit angehört, in der sie wieder angelangt sind, allerdings auf stabilerem Boden. Je nachdem, ob das Salzburger Land im Mai wieder ins schwarze Lager zurückswingt oder nicht, hält die Koalition bei einem fünf zu vier oder vier zu fünf im Landeshauptleute-Match. Gerechter kann man auch nach den Regeln der strengen Proporz-Arithmetik eine ungerade Zahl nicht teilen.

Es ist nicht einmal zehn Jahre her, da hat Schwarz-Blau sieben der neun Landeshauptleute gehalten, Föderalismus war ÖVP-Herzens- und Überlebensangelegenheit. Das neue gemeinsame Länderinteresse samt allen damit verbunden Ressourcen eint nun SPÖ und ÖVP auf Bundesebene. Der Nichtangriffspakt zwischen den Parteihochburgen Wien und Niederösterreich (es spricht viel dafür, dass die SPÖ in Niederösterreich niemand Attraktiveren als Sepp Leitner aufstellen wollte, um die bewährte Achse Pröll/Häupl ja nicht zu gefährden: allemal bequemer jemand aus dem gegnerischen Lager, den man kennt und der über einen politischen Hebel verfügt, als ein Parteifreund ohne Durchschlagskraft) wird auf Restösterreich ausgerollt. Keine schöne Vorstellung. Auch und vor allem für das Budget nicht.

Dornröschen hat am Sonntag im Fernsehen übrigens auch Madeleine Petrovic wiedergetroffen. Und ja, auch die Grünen können dort weitertun, womit Petrovic als Bundessprecherin in den Neunzigern begonnen hat: wie ein Heliumballon am Zehn-Prozent-Plafond festhängen. Wenn Glawischnig und Co. nicht bald etwas einfällt, wird der Ballon schrumpelig zu Boden sinken. Warum hat man eigentlich das verschmitzte, auf mehr Breite ausgelegte Erfolgsrezept von Alexander Van der Bellen vergessen?

Wenn man sich etwas wünschen dürfte: Die Regierungsparteien und die Opposition finden nach dem vorläufigen Ende des Ausnahmezustandes ohne den heißen Atem des dritten Lagers im Nacken zur politischen Normalität zurück. Die da wäre: Statt aus lauter Angst vor einem Fehler gar nichts zu tun, lieber beim eifrigen Regieren und Opponieren auch Fehler zu machen. Aber aus diesem Traum sind wir schon zu oft erwacht. Ganz ungeküsst.

E-Mails an: florian.asamer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.03.2013)

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