LEITARTIKEL: Frank Stronach beendet den rot-schwarzen Koalitionspoker

Die Partei des Milliardärs hat bewiesen, dass sie nicht regierungsfähig ist. Damit ist der ÖVP das Drohpotenzial abhandengekommen.

Richtig putzig, wie Funktionäre des Teams Stronach jetzt Basisdemokratie einfordern. Welche „Basis“ bitte? Die Basis des Teams Stronach besteht aus einer Person – und diese heißt Frank Stronach. Und welche Demokratie? Das ganze Projekt war von Anfang an als autokratische Bewegung geplant. Frank Stronach hat sich seinen Wunsch erfüllt, einmal in der Politik mitzumischen. Wer dabei mitmachen wollte, kannte die Regeln. Erstens: „Frank“ hat immer recht. Zweitens: Die Parteifunktionäre haben vor allem eines zu tun: Bei jeder Gelegenheit erklären, wie begeistert sie von „Frank“ sind. Drittens: Dafür wird man fürstlich entlohnt, Geld und Posten sind in Fülle vorhanden. Viertens: Die Gunst des Parteigründers kann auch jederzeit wieder entzogen werden. „Hire and fire“ lautet das Motto. Wozu also die Aufregung, wenn Stronach – enttäuscht, dass seine Partei nicht die Welt und nicht einmal Österreich verändert hat – jetzt genau das umsetzt?

Auch dass der Parteigründer sein Geld zurückhaben will, ist aus seiner Sicht verständlich. Denn jetzt, nach dem Einzug ins Parlament, wird ja das staatliche Füllhorn über das Team Stronach ausgeschüttet. 1,9 Millionen Euro gibt es jährlich allein an Parteienförderung – für eine Partei, die dieses Geld nicht wirklich braucht, weil sie über keine nennenswerten Strukturen verfügt. Die politische Arbeit lässt sich mit Klubförderung (weiteren 2,3Millionen Euro) und Förderung für eine Parteiakademie (1,2 Millionen) locker finanzieren. Dazu kommen noch Förderungen in den Ländern. Wenn Stronach jetzt also zehn Millionen Euro Darlehen an die Partei über zehn Jahre verteilt zurückhaben will, so ist das weder existenzgefährdend für seine Bewegung noch unanständig.

Auswirkungen hat der Rundumschlag von Frank Stronach, der handstreichartig mehrere Landesparteichefs abgesetzt hat, allerdings für die jetzt anlaufenden Koalitionsverhandlungen. Denn das Team Stronach hat sich damit praktisch aus dem Spiel genommen. Eine Partei, die im Innenleben über keine demokratische Traditionen verfügt, sollte ja ohnehin für eine Regierungsbeteiligung nicht infrage kommen. Schwerer ins Gewicht fallen dürfte aber, dass ihr Verlässlichkeit und Stabilität fehlen. Man muss nur einen Blick Richtung Süden werfen, um zu sehen, was passieren kann, wenn eine Regierung von den unberechenbaren Launen eines Parteichefs abhängt.

Das trifft vor allem die ÖVP: Sie verliert ihr wichtigstes Argument im Poker um eine bessere Position in einer neuen rot-schwarzen Regierung. Mit FPÖ und Team Stronach hätte sie eine ernst zu nehmende Alternative gehabt. Es ist zwar fraglich, ob Parteichef Michael Spindelegger das Experiment tatsächlich gewagt hätte – er hätte aber zumindest glaubwürdig damit drohen können. Ihm bleibt zwar noch die Koalitionsvariante mit den Neos als drittem Partner, aber das dürfte eher theoretischer Natur sein. Die Neos haben Derartiges ja schon ausgeschlossen.

Auch die SPÖ-Ansage im Pokerspiel, man werde halt in Opposition gehen, ist nicht sonderlich ernst zu nehmen. Weder die SPÖ noch die ÖVP kann sich unter den gegebenen Umständen einer Teilnahme an der nächsten Regierung verweigern. Denn die logische Konsequenz wären baldige Neuwahlen – und bei diesen wird traditionell der Verursacher abgestraft.


Ob man das gut findet oder nicht – die beiden ehemaligen Großparteien sind wieder einmal aneinander gefesselt. Jetzt liegt es an ihnen, ob sie sich wieder in ihre ideologischen Schützengräben begeben und die seit Jahrzehnten andauernden Stellungskriege um Schul- oder Steuerpolitik weiterführen oder ob sie den Mut für einen echten Neustart finden.

Themen für Reformen gäbe es ja genug: Bildung, Sozialsystem, Wirtschaftspolitik, Gesundheit, Pflege oder Verwaltungsreform – die Probleme sind bekannt, die Lösungsmöglichkeiten großteils auch. Bisher hat nur der Mut gefehlt, die Dinge auch wirklich umzusetzen. Für SPÖ und ÖVP ist es vielleicht die letzte Chance – zumindest in dieser Zusammensetzung. Beim nächsten Mal geht sich diese Zweierkoalition vermutlich nicht mehr aus.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.10.2013)

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