Verschobene Millionen

Flöttls „Kellerbriefe“, ein Sittenbild: Polit-Organisationen eignen sich nicht als Nationalbank-Eigentümer.

Die jetzt aufgetauchten „Kellerbriefe“ des früheren Bawag-Chefs Walter Flöttl zeigen ein interessantes Sittenbild aus einer Zeit, in der Bank-Generaldirektoren noch unangreifbare Monumente waren, politische Parteien und deren Vorfeldorganisation steuerlich nicht geprüft werden durften und Bankenchefs wie Politiker das reichlich unverfroren ausnutzten, ohne dabei Unrechtsbewusstsein zu entwickeln.

Mit der Wahrheit hat man es dabei nicht immer so genau genommen (was, wie die Subprime-Krise zeigt, Bankbilanzen bis heute kennzeichnet): Im Jahr, in dem Flöttl seinem Freund und Präsidenten Verzetnitsch zu Dokumentationszwecken (sonst hätte er ja ohne große Formalitäten im Neben-Penthouse anläuten können) einen Brief schrieb, in dem er wort- und detailreich bejammerte, wie die Bawag vom Eigentümer ÖGB und von der SPÖ ausgenommen wird und wie negativ sich das auf die Ertragslage seiner Bank niederschlägt, in diesem Jahr also zeichnete er bei der öffentlichen Bilanzpräsentation ein ausgesprochenes Jubelbild seines offenbar bereits angeschlagenen Instituts: Von „Rekordergebnis“ war da die Rede und von „hochgeschnellten“ Betriebsergebnissen.


Verschleierung war also nicht erst seit den diversen Karibik-Geschäften Methode im „System Bawag“. Das überrascht freilich nach den Enthüllungen der letzten Jahre niemanden mehr. Was jetzt noch für Erstaunen sorgt, ist etwa, in welchem Ausmaß Aktien der Nationalbank für Verschleierung von Finanzflüssen und wohl auch für Parteienfinanzierung missbraucht worden sind. Und wie gut sich Anteile der Nationalbank dafür eignen. Wann immer irgendwo Geld benötigt wurde, wurden OeNB-Aktien zu völlig überhöhten Preisen hin- und hergeschoben.

Ein Geheimnis war das nie: 1992 hatte ein damals aufstrebender Oppositionspolitiker namens Jörg Haider darauf aufmerksam gemacht, dass mit OeNB-Aktien in großem Stil Parteienfinanzierung betrieben werde und dass die Bevölkerung „kein Verständnis“ dafür habe, dass die Nationalbank zum Spielball der Geldbeschaffung für Parteien gemacht werde.

Zumindest in letzterem Punkt hat sich Haider freilich geirrt: Aufgeregt haben die Praktiken offenbar niemanden.

Die Papiere eignen sich ja auch besonders für solche Dinge: Notenbank-Aktien sind nicht frei handelbar, sie haben also keinen Marktpreis. Wenn einer dem anderen ein Paket abkauft, lässt sich also auch nicht feststellen, ob der Preis jetzt gerechtfertigt ist oder nicht. Fix ist nur der Nominalwert, also der Anteil eines Papiers am OeNB-Grundkapital von 12 Mio. Euro (zu Flöttls Zeiten waren es 150 Mio. Schilling) – und die Verzinsung, denn die jährliche Dividende ist auf magere zehn Prozent des Grundkapitals beschränkt.

Wenn also, wie damals, die Bawag dem ÖGB Aktien im Nominalwert von zehn Mio. Schilling (jährliche Zinsen: eine Million) um mehr als 400 Mio. abgekauft hat, dann kann man dahinter wohl eine verdeckte Ausschüttung vermuten, deren Höhe lässt sich mangels Marktpreis aber wohl nicht exakt festmachen.


Kein Wunder, dass solche Transaktionen auch später noch sehr beliebt waren: Der Sozialistische Verlag hat zur Rettung seiner Parteizeitung seine Notenbankanteile zum 15-fachen Nominalwert an die Bawag verpfändet. Als Mitte der 90er-Jahre der Konsum pleite ging, musste die staatliche PSK einspringen und dessen Notenbank-Anteile zum offenbar weit überhöhten Preis von 200 Mio. Schilling übernehmen. Selbst am Ende der alten Bawag stand noch eine freundliche Kapitalspritze: Die OeNB-Anteile der Bawag und des ÖGB (Nominalwert 2,4 Mio. Euro) wurden vom Bund freundlicherweise zum „Buchwert“ von 33 Mio. Euro übernommen.

Bei solchen Transaktionen muss man schon die Frage stellen, ob es richtig ist, eine Notenbank unter politischen Vorfeld-Organisationen, parteinahen Banken und Interessenvertretungen aufzuteilen. Da hat sich doch ein relativ großes politisches Missbrauchspotenzial gezeigt.

In der roten Reichshälfte hat sich das durch Unfähigkeit und Misswirtschaft von selbst erledigt: Außer einer Mini-Beteiligung der B&C Holding (Bank Austria) ist nichts mehr da. Den nichtstaatlichen Sektor repräsentieren jetzt noch Raiffeisen Zentralbank, Wirtschaftskammer, Industriellenvereinigung und Uniqa-Versicherung. Auch wenn da derzeit nichts Blutdrucksteigerndes zu sehen ist: Angesichts der jetzt sichtbar gewordenen Vorfälle gehört die Eigentümerstruktur der Nationalbank bereinigt. Sie gehört zum Bund.

Bawag: „Kellerbriefe“ schlagen Wellen S. 1, 2


josef.urschitz@diepresse.com("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.03.2008)

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