Es reicht nicht, den Geldhahn für die Pflege aufzudrehen

(c) FABRY Clemens
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Wozu gibt es einen Bundesminister für Soziales, wenn nicht, um im Sinn der Betroffenen und der Zahler bundesweit effiziente Betreuung zu schaffen?

Die Regierungsmitglieder haben derzeit genug Probleme – von der Frage, wo sie Geld für eine Steuerreform zusammenbekommen, bis zu der von ihnen verschuldeten prekären Lage des Heeres samt nicht eingelöster Versprechen für die Grundwehrdiener nach der Volksbefragung im Vorjahr. So gesehen ist es verständlich, dass SPÖ und ÖVP andere Herausforderungen lieber weitgehend ausblenden. Das gilt auch für den Pflegebereich: Dort ist knapp eine halbe Million Menschen direkt als Bezieher von Pflegegeld betroffen. Dazu kommt die x-fache Anzahl an Angehörigen, die sich überlegen (müssen), wie Großmutter und Großvater oder die Eltern am besten betreut werden. Da wurde von der Politik bisher darauf gesetzt, mit einem zusätzlichen Betrag in dreistelliger Millionenhöhe in einem Pflegefonds für die kommenden Jahre eine Übergangsregelung zu schaffen. Eine längerfristige Lösung ist das angesichts des steigenden Pflegebedarfs nicht.

Die Politiker aller Ebenen, vom Bund über die Länder bis zu den Gemeinden, verlassen sich darauf, dass weitergewurstelt wird. Das ist erstens kurzsichtig, weil die Herausforderungen mit dem Aufschieben nicht kleiner werden. Es wird zweitens teuer, weil immer mehr Geld aufgewendet werden muss, ohne dass der optimale Einsatz der Mittel gewährleistet werden kann. Nur um einmal die Dimension klarzustellen: Es geht um zumindest 4,5 Milliarden Euro. Das ist mehr als das Doppelte dessen, was die Republik derzeit für das Bundesheer ausgibt.


Es ist nicht so, dass den Verantwortlichen vom Sozialminister Hundstorfer abwärts dieSchwachstellen dieser Geldverteilungsmaschinerie unbekannt wären. Ja, Österreich kann zu Recht stolz sein, dass es im internationalen Vergleich viel für die Versorgung pflegebedürftiger Menschen unternimmt. Ganz und gar nicht vorbildlich ist jedoch, dass Millionen und Milliarden Euro unkoordiniert zwischen Bregenz und Mistelbach ausgegeben werden. Das kommt uns irgendwie bekannt vor? Stimmt. Vom Schulwesen bis zu den Förderungen ist dieses System hierzulande Usus. Dafür hätte es der jetzigen Mahnung des Rechnungshof-Präsidenten gar nicht mehr extra bedurft. Für Pflegebedürftige und Angehörige, aber vor allem für die Zahler von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen wäre am wichtigsten: Wenn so viel Geld fließt, sollte es so effizient wie möglich eingesetzt werden. Dann kann – und muss sogar – diskutiert werden, wie zusätzliche Mittel wegen des höheren Pflegebedarfs aufgebracht werden. Zumindest das dürfen sich Empfänger wie Zahler erwarten.


Sozialminister Hundstorfer hat selbst 2012 schon bewiesen, dass jahrelange Kritik des Rechnungshofs am Wirrwarr bei der Auszahlung des Pflegegeldes durch einen bürokratischen Moloch von zig Stellen nicht auf Dauer ohne Wirkung bleibt. Seither ist deren Zahl auf ein gutes halbes Dutzend reduziert worden – ohne Nachteil für Bezieher. Im Gegenteil. Es geht also doch.

Was jetzt im Sozialministerium vorbereitet wird, ist aber keine Pflegegeldreform. Denn die geplante Erhöhung des Pflegegeldes zahlen sich die Betroffenen selbst, indem die Zugangshürden im Gegenzug offenbar verschärft werden.

Mehr an bundesweiter Planung, Koordination und Kontrolle wird der Sozialminister von Ländern und Gemeinden schon fordern dürfen, im Gegenzug dafür, dass er Geld überweist. Erst danach ist zu klären, wie notwendige höhere Mittel für die Pflege hereinkommen sollen. Die Variante, eine eigene öffentliche Pflegeversicherung einzuführen, wird von einem Großteil der Politiker zu Recht als Irrweg abgelehnt. Die schon bestehende hohe Belastung durch Lohnnebenkosten in Österreich wird zu Recht beklagt. Viel weniger abwegig wäre es, aus der finanziell aufgepäppelten Krankenversicherung einen Betrag für die Pflege abzuzweigen. Schon bei der Einführung des Pflegegeldes 1993 wurden die Krankenversicherungsbeiträge für die Pflege um 0,4 Prozentpunkte erhöht.

Aber das Aufdrehen des Geldhahns allein ist jedenfalls zu wenig. Das schafft auch jeder Praktikant in einer Bank. Dafür braucht es keinen Bundesminister.

E-Mails an: karl.ettinger@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.10.2014)

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