Na, dann kurbel doch mal, lieber Staat

Staatlicherseits die Konjunktur zu beleben ist weniger einfach, als es klingt. Sparsamkeit wäre vielleicht besser.

Es ist klar, dass die Politik jetzt nicht nur Feuerwehr im Finanzsystem spielen muss, sondern über kurz oder lang auch wieder klassische Konjunkturpakete schnüren wird. Wenn überall von der Gefahr einer großen Depression geredet wird, macht es für einen Politiker keinen schlanken Fuß zu sagen: „Kopf runter und durchtauchen.“ Also wird man uns Konjunkturpakete zurechtmachen, die nicht nur viel kosten und wenig bringen, sondern auch noch so präsentiert werden, als hätten die generösen Politiker dafür ihr eigenes Vermögen geopfert.

Aber was soll's. Der Mensch sucht nun einmal in Zeiten der Krise gern bei Autoritäten Zuflucht, und mangels attraktiverer Angebote wie graubärtiger Monarchen oder weißhaariger Schamanen müssen halt die Politiker dafür herhalten. Da sind wir offenbar auch nicht das einzige höhere Wirbeltier, das so handelt. Auch vom Pferd sagt man, dass es, wenn der Stall brennt, vor lauter Verzweiflung in eben diesem nach Geborgenheit sucht.

Was kann also der Staat tun? Der kleine Staat Österreich angesichts einer globalen Krise?

Das Wichtigste ist die Wiederherstellung eines flüssigen Geldkreislaufs. Derzeit horten alle ihr Bargeld – Banken ebenso wie Unternehmen oder Private. Erst wenn das wieder dorthin fließt, wo es am meisten Wert schöpfen kann, kann die Wirtschaft normal weitermachen. Dafür stellt die Regierung gerade die Weichen: Die Banken sollen staatliches Kapital erhalten, die Einlagen werden vom Staat garantiert, und die Unternehmer sollen Zugang zu öffentlichen Krediten erhalten. Mehr kann man da gar nicht tun, ohne die Leistungsfähigkeit selbst reicher Nationen überzustrapazieren. Dieses Kapitel geht in Ordnung.

Und sonst? Infrastrukturinvestitionen, hört man. Ja, schon. Denn da gibt es sogar welche, die auch ohne Wirtschaftskrise längst überfällig wären. Aber das dauert. Bis so eine Autobahn oder ein Eisenbahntunnel genehmigt ist und die Arbeiten beginnen können, vergehen Jahre.

Beliebt ist auch noch die Standardnummer: Privatkonsum ankurbeln. Kurbeln Sie mal, möchte man da sagen. Egal, ob man den Leuten einen Gusi-Hunderter zusteckt oder ob man Steuern senkt – das Geld wandert in einer Zeit, in der man an jeder Ecke von jahrelanger Rezession und größter Krise seit 1929 hört, eher unter die Matratze als zum Billa. Ähnlich, wenn man die Betriebe stärker subventioniert: Wer keine Zuwachsraten in den nächsten Jahren erwartet, wird auch nicht investieren, sondern sparen.

Richtiggehend gemeingefährlich sind Ideen, jetzt einen großen gemeinsamen Notstandspakt mit den Unternehmen zu schließen, um sie dazu zu bringen, den Personalstand zu halten und die Preise zu senken. Das hat man tatsächlich im Jahr 1930 in den USA gemacht, und die Folge war, dass viele Firmen sich nicht der neuen Situation anpassen konnten und bankrottgegangen sind.

Schlechte Beispiele kann man aber auch aus Japan beziehen, wo in den 90er-Jahren rund eine Billion Euro an öffentlicher Konjunkturhilfe ins Land gezogen sind, ohne am Wirtschaftswachstum auch nur eine Nachkommastelle zu ändern.


Natürlich gibt es Möglichkeiten für den Staat, hilfreich zu sein. Bürokratische Hindernisse für Unternehmen aus dem Weg räumen etwa. Aber im Großen wird er wenig tun können. Es wird schon eine Großtat sein, wenn er gleichzeitig die Sparer absichern, die Kredite laufen lassen und die Banken auffangen kann – und dabei auch noch die wirkliche Innovation aufrechterhalten kann, die uns vom Jahr 1929 unterscheidet: die flächendeckende Arbeitslosenversicherung. Und das öffentliche Gesundheitssystem. Und den hochsubventionierten öffentlichen Verkehr. Und die Gratisuniversität. Und...

Vor allem mit zwei Dingen können Politiker in den kommenden Monaten tatsächlich Gutes tun. Erstens mit Leadership. Nicht, indem sie sich jetzt für alles und jedes für zuständig erklären. Sondern indem sie Ruhe, Besonnenheit und Optimismus verbreiten und sich auf das Weichenstellen konzentrieren statt auf das Den-Karren-aus-dem-Dreck-Holen. Denn das können sie nicht. Das können nur die Zeit und die Einzelinitiative. Und daher die zweite Pflicht: Sparsamkeit. So viel Geld haben wir nicht, dass wir uns aus der Krise herauskaufen könnten, so wie sich Münchhausen einst am eigenen Schopf aus dem Sumpf gezogen hat. Man muss auf den langen Atem setzen – und die Strohfeuer staatlicher Konjunkturprogramme machen leider eher kurzatmig.

Kampf gegen die Finanzkrise Seite 17


michael.prueller@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.10.2008)

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