Zwischen Brüssel und Brüsten

Die Grünen setzen sich einmal mehr mit internem Zwist in Szene. Doch diesmal sind die Dissidenten im Recht.

Vielen GrünInnen geht eine Eigenschaft leider ab: die Fähigkeit zur Selbstironie. Da versucht der grüne Bundesrat Efgani Dönmez, ein Türke aus Oberösterreich, mit ein paar flotten, man könnte auch sagen, flapsigen Sprüchen auf sich aufmerksam zu machen. „Brüste zu haben“, meinte er etwa in einem „Standard“-Interview, „reicht bei den Grünen nicht als Qualifikation.“ Was hoffentlich auch stimmen wird. Und was machen die großen Damen der Partei, Maria Vassilakou und Terezija Stoisits, erwartungsgemäß? Sie stimmen sogleich hyperventilierend das übliche „Sexismus“-Gezeter an. Nur dass es diesmal eben einen aus den eigenen Reihen trifft.

Der unkonventionelle Efgani Dönmez mag zwar in der Wortwahl bisweilen übertreiben, dennoch hebt sich diese wohltuend von dem sonst üblichen übervorsichtigen und weltfremden Politikersprech der Grünen ab. Denn Dönmez spricht auch unangenehme Wahrheiten ungeniert pointiert aus: „Imame brauchen eine Ausbildung und dürfen keine Kameltreiber aus Anatolien sein.“ Oder: „Asylwerbern, die Mist bauen, muss man auf die Finger klopfen.“ Oder: „Wenn jemand mit Ganzkörperverschleierung in Österreich auftritt, dann bleiben eben gewisse Türen verschlossen. Ich kann mich ja auch nicht mit Badehose ins Parlament setzen.“

Doch dafür gibt es bei den Grünen nicht Lob. Sondern Tadel. Wie die Grünen überhaupt ein Talent dafür haben, mit innerparteilichem Zwist auf sich aufmerksam zu machen. Und daran sind diesmal ausnahmsweise nicht die üblichen Dissidenten schuld, die sich – wie zu Alexander Van der Bellens Zeiten – an der Parteiführung reiben, um sich wichtig zu machen. Denn diesmal liegt sogar Johannes Voggenhuber, der Schwierige, richtig.

Der (zumindest angedeutete) EU-Schwenk der neuen Grünen-Führung hin zu den Anliegen der Antiglobalierungsbewegung mag zwar im antikapitalistischen Antiimperialismus-Milieu gut ankommen – und paradoxerweise wohl auch in der eher wertkonservativen Redaktionsstube der „Kronen Zeitung“ –, aber einer international ausgerichteten, bislang europafreundlichen Partei steht er nicht gut an. Davor hat Voggenhuber zu Recht gewarnt.

Gestern verkündete der grüne EU-Haudegen seine Wiederkandidatur für die Europawahlen im Juni 2009. Bisher hätte man führenden Grünen wohl beigepflichtet, dass es kein Schaden wäre, würde sich der oft bis zum Querulantentum querdenkerische Voggenhuber einmal vorübergehend aus der Öffentlichkeit zurückziehen. Doch mittlerweile muss man Abbitte leisten. Und Voggenhuber zum harten Kern der Realos zählen.

Wie auch Efgani Dönmez. Als Kind türkischer Zuwanderer wagt er es, zu artikulieren, was in der Integrationspolitik falsch läuft. Dass es eben nicht nur die Bereitschaft der autochthonen Bevölkerung geben muss, auf die Zuwanderer zuzugehen. Sondern auch die Bereitschaft der Migranten, sich den liberalen Lebensgewohnheiten Westeuropas anzupassen und die deutsche Sprache zu erlernen – im eigenen Interesse. Dönmez ist dabei zur Selbstkritik fähig – ebenfalls eine Eigenschaft, die vielen seiner Parteikollegen fehlt. Er ist frech, bodenständig, mit offenem Blick und scheint Auseinandersetzungen im Gegensatz zu Dogmen nicht zu scheuen.

Das von Voggenhuber und Dönmez nun artikulierte Unbehagen kommt nicht von ungefähr. Eva Glawischnig, die neue Parteichefin, möchte die Grünen feministischer und EU-kritischer ausrichten. Sie selbst kommt aus der Umweltbewegung Global 2000 und hat daher einen offeneren Zugang zu den NGOs als ihr Vorgänger Van der Bellen. Sie unterstützt Ulrike Lunaceks Kandidatur für den ersten Platz auf der EU-Liste und wird für den Parteitag im Jänner auch zwei Frauen als ihre Stellvertreterinnen nominieren.

Ob Glawischnigs Strategie aufgeht, werden die kommenden Wahlen zeigen. Leicht wird es nicht werden. Es spricht viel dafür, dass die Grünen ihren Höhepunkt bereits überschritten haben. Alexander Van der Bellen konnte kraft seiner natürlichen, professoralen Autorität nicht nur alle Flügel der Partei vereinen, sondern auch Wähler aus verschiedensten Milieus ansprechen.

Sollte Eva Glawischnig scheitern, was ihr nicht zu wünschen ist, müssen die Grünen ja nicht gleich Efgani Dönmez zu ihrem Chef wählen, so wie es die deutschen Gesinnungsfreunde mit Cem Özdemir, dem Türken aus Baden-Württemberg, taten. Dafür ist Dönmez seinen österreichischen ParteifreundInnen ohnehin zu vorwitzig. Typische Machos halt, diese Türken.


oliver.pink@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.12.2008)

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