Die Regierung kämpft gegen Arbeitslosigkeit. Mit alten Mitteln – trotz der neuen Herausforderungen der Krise.
Die gestern veröffentlichten Arbeitslosenzahlen für den März unterliegen wieder einmal den klassischen Fehlinterpretationen: Im März habe sich die Zahl der Arbeitslosen um 29 Prozent erhöht, konnte man beispielsweise hören. In Wirklichkeit ist die Zahl der Arbeitslosen im März sogar gesunken (was sie, wegen der aus dem Winterschlaf erwachenden Baufirmen, immer tut). Aber: In den vergangenen zwölf Monaten ist die Zahl um 29 Prozent gestiegen – vor einem Jahr gab es noch um 60.000 Arbeitslose weniger. Die wirklich schlechte Nachricht ist also die: Seit vielen Jahren hat es keine so starke Verschlechterung innerhalb weniger Monate gegeben wie jetzt. Das ist Faktum und sehr beunruhigend. Wenn auch nicht überraschend.
Besonders alarmiert – das zeigt die große Zahl aufgeregter Presseaussendungen der Parteisekretariate – ist man durch den starken Anstieg der Arbeitslosigkeit bei den unter 25-Jährigen. Im internationalen Vergleich ist unser Wert zwar immer noch passabel, aber wenn derzeit um 14.000 mehr junge Menschen stempeln gehen als vor einem Jahr, dann ist das nicht nichts. Es ist immerhin so beunruhigend, dass der Sozialminister 500 Millionen Euro für einschlägige Maßnahmen herausrückt. Auch das ist nicht nichts. Damit könnte man jeden der hinzugekommenen Arbeitslosen ein Jahr lang mit 2185 Euro brutto Monatssalär (natürlich 14-mal) regulär anstellen.
So kann man es natürlich nicht rechnen, denn einen großen Teil dieses Pakets hat es im Vorjahr auch schon gegeben. Jedenfalls ist das ziemlich viel Geld für ziemlich niedrig bezahlte Arbeitsplätze. Aber sei's drum. Wer wird schon kleinlich sein in großen Zeiten. Immerhin, das hat die Sozialsprecherin der SPÖ, Renate Csörgits, ganz richtig erklärt, kämpft „die Bundesregierung entschlossen und auf breiter Ebene“. Diese schöne Umschreibung für „Wir geben jetzt einmal ganz viel Geld aus, und wer nachrechnet, macht die Krise nur schlimmer“ ist ja jetzt in. Die Amis machen das doch auch.
Jugendarbeitslosigkeit ist ein gravierenderes Problem. Vielleicht wirklich mehr als die Arbeitslosigkeit der 50-Jährigen, die mit einiger Wahrscheinlichkeit nie wieder einen Job finden werden, oder die Arbeitslosigkeit der 30-Jährigen, die gerade eine Familie gegründet, eine Wohnung gekauft und für die Tochter einen Bausparvertrag angelegt haben. Denn Jugendarbeitslosigkeit trifft Menschen, die in ihrem Selbstwertgefühl sehr verletzbar sind und deren gesamte Biografie durch einen verpatzten Start ins Berufsleben verbogen werden kann.
Trotzdem ist das eigentlich Alarmierende in dieser Sache die Ratlosigkeit der Sozialpolitiker. Die derzeitige Jugendarbeitslosigkeit hat zwei Gesichter: Das eine ist das alte Systemproblem. Wenn es in einer (wie noch im Vorjahr) expandierenden Wirtschaft zu wenige Arbeitsplätze für junge Menschen gibt, dann heißt das nur, dass viele von ihnen zu teuer sind. Entweder weil ihre Tarifgehälter höher sind als der Nutzen ihrer Arbeit. Oder, weil die Begleitumstände versteckte Kosten beinhalten, z.B. einen erhöhten Kündigungsschutz. Da muss man entweder den Preis senken, die Leistungsfähigkeit erhöhen oder die Rahmenbedingungen verbessern. Hier ist in den letzten Jahren schon etwas geschehen – und prinzipiell ist die Arbeitslage der Jugendlichen in Österreich so schlecht ja auch nicht gewesen.
Das zweite Gesicht ist das der Krise. Sie trifft die Jungen besonders hart. Denn selbst die Betriebe, die niemanden hinauswerfen, nehmen derzeit niemanden Neuen auf. Junge Menschen spüren das am meisten. Statt „more of the same“ der alten Lehrlingsinitiativen braucht es für diese zwar vorübergehende, aber spürbare „Jobklemme“ neue Antworten des Sozialstaats.
Und vor allem: Es braucht die Einsicht, dass man zwar helfen muss, aber sparsam. Dazu müsste sich der Blick der Sozialpolitik von der Einzelperson auf den Haushalt verlegen. Einer der großen Vorteile gegenüber der Krise der 30er-Jahre ist, dass Mehrverdienerhaushalte heute viel zahlreicher sind als damals. Dass jeder Arbeitnehmer heute weniger Kinder zu erhalten hat. Dass viel mehr Menschen beträchtliche Sparguthaben angelegt haben. Dass viel mehr Menschen im Staatsdienst arbeiten, wo sie weniger Angst vor einem Jobverlust haben müssen, und dass es viel mehr Menschen mit ansehnlicher Pension gibt.
Arbeitslosigkeit schlägt also nicht überall gleich schwer zu. Angesichts endlicher Ressourcen des Staates müsste längst eine differenzierte, haushaltsbezogene Unterstützung parat sein, statt die alten Gießkannenprogramme „entschlossen und auf breiter Ebene“ zu forcieren. Als ob es nicht gerade in einer Krise, die noch eine Zeit lang dauern könnte, auf Treffsicherheit ankäme.
michael.prueller@diepresse.com
("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.04.2009)