Die Republik Österreich - das Land der Länder

Man beißt die Hand, die einen füttert: Diese (teuren) Spielchen der Landeshauptleute sollten abgestellt werden. Mit einer Steuerhoheit für die Länder.

Man kann es nüchtern, ohne Zorn und Eifer, feststellen: Die Macht im Land geht von den Ländern aus. Sie bestimmen zu einem großen Teil, wer im Parlament sitzt, wer Bundesparteichef wird, welche politische Agenda überhaupt auf die Tagesordnung kommt – oder von dort wieder abgesetzt wird.

Die Landeshauptleute sind sich dieser Macht bewusst – die Bundespolitiker leider auch. Und dies spiegelt sich auch in den nackten Zahlen wider: 73 Milliarden Euro hat der Bund im Zuge des Finanzausgleichs zu vergeben. 49 Milliarden behält er selbst, 15 bekommen die Länder, neun die Gemeinden. Die Pointe daran ist allerdings: Während der Zuwachs für den Bund und die Gemeinden seit 2002 ungefähr 49 Prozent betragen hat, so bekommen die Länder mittlerweile um 114 Prozent mehr. Gut verhandelt, könnte man sagen. Denn dazwischen lag der letzte große Finanzausgleich im Oktober 2007.

Oder noch ein wenig lebensnäher veranschaulicht: Im März 2008, ein halbes Jahr später, war Landtagswahlkampf in Niederösterreich. Erwin Pröll tingelte von Ort zu Ort, eröffnete da ein neues Gemeindezentrum, dort eine neue Schule. Und in Leobersdorf harrten 300 Menschen bei Eiseskälte aus, um mitzuerleben wie Erwin Pröll den neuen Dr.-Erwin-Pröll-Steg über die Triesting begutachtete.

Bezahlt hat das zu einem Gutteil der Bund. Was den amtierenden niederösterreichischen Landeshauptmann jedoch nicht davon abhielt, den Bund – damals noch regiert von Alfred Gusenbauer und Wilhelm Molterer (als Finanzminister auch noch oberster Finanzausgleichsverhandler) – als abschreckendes Beispiel vorzuführen. Dort ginge es zu „wie auf einem anderen Stern“, da werde „nur gestritten“, und „nix geht weiter“. Man beißt die Hand, die einen füttert. Eine Spezialdisziplin der Landeshauptleute.

Der Fairness halber sei jedoch hinzugefügt: Mit seiner Kritik am Bund hatte Erwin Pröll natürlich auch recht. Wie man beispielsweise auch beim neuen Arbeitszeitgesetz für Spitalsärzte sehen kann. Die EU-Vorgaben hat das Land Niederösterreich noch vor dem Bund umgesetzt. Reformakzente hat auch die aktuelle steirische Landesregierung gesetzt – wenngleich sie bei den Gemeindefusionen nur nachvollzogen hat, was andere Bundesländer schon früher gemacht haben. Zudem soll auch nicht verschwiegen werden, dass der stetig steigende Pflegebedarf die Länder vor immer größere finanzielle Herausforderungen stellt.

Und dennoch: Die Länder geben mit lockerer Hand das Geld aus, das andere einnehmen. Die Bürger liefern dem Bund ihre Steuern ab, damit die Länder mit dem gütigen Landeshauptmann an der Spitze es dann wieder unter den Bürgern verteilen können. Entweder plump bar auf die Hand wie weiland Jörg Haider oder im Zuge zahlloser Sachleistungen, Förderungen et cetera.

Ein herausragendes Beispiel föderalistischer Umverteilung ist die Wohnbauförderung. Das Geld wird über die Lohnnebenkosten eingenommen und sollte eigentlich – wie der Name schon sagt – der Förderung des Wohnbaus dienen. Doch die Länder haben es geschafft, dass die Zweckbindung aufgehoben wurde – und verwenden das Geld nun zum Stopfen der Budgetlöcher. Oder eben zur Finanzierung der Pflege, wie Landespolitiker gern rechtfertigend hinzufügen.

Das probateste Mittel dieser eigentümlichen Realverfassung – der Bund nimmt ein, die Länder geben aus – entgegenzuwirken, ist eine Steuerhoheit für die Länder. Diese heben maßgebliche Steuern künftig selbst ein und entscheiden auch selbst über die Ausgaben. Das fördert Verantwortungsbewusstsein und Budgetdisziplin. Und eben auch einen Steuerwettbewerb unter den Ländern. Denn eine Steuerhoheit für die Länder ohne Steuerwettbewerb unter diesen, wie das offensichtlich einigen sozialdemokratischen Landeshauptleuten vorschwebt, kann es nicht geben.

Erwin Pröll – das muss man jetzt ebenfalls fairnesshalber hinzufügen – sieht das eh auch so. Man sollte es also machen. Dann würde auch das Wort Föderalismus einen besseren Klang bekommen.

E-Mails an: oliver.pink@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.05.2015)

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